Die Prophezeiungen von Celestine
Weile schweigend, dann sagte sie:
»Er scheint ein Mann mit einer Mission zu sein. Wie hast du ihn kennengelernt?«
Ich erzählte ihr in allen Einzelheiten von meiner Ankunft in Peru, und sie erwies sich als ausgesprochen aufmerksame Zuhörerin. So aufmerksam, daß ich plötzlich merkte, wie ich meine ganze Geschichte mit all ihren dramatischen Wendungen und Episoden mühelos, doch einsichtsvoll und voller Authentizität ineinanderflocht. Sie lauschte gebannt und verschlang jedes Wort.
»Große Güte«, sagte sie einmal zwischendurch,
»bist du in Gefahr?«
»Nein, so weit von der Hauptstadt entfernt wohl nicht.«
Sie sah mich weiterhin erwartungsvoll an, und so umriß ich, während wir aßen, kurz die Ereignisse in Viciente bis zu dem Punkt, an dem Sarah und ich in den Gärten angekommen waren.
»Da habe ich dich zum ersten Mal getroffen«, sagte ich, »und du bist weggerannt.«
»Oh, ganz so war es nicht«, sagte sie. »Ich hatte keine Ahnung, wer du bist, und als ich deine Gefühle sah, hielt ich es für besser zu gehen.«
»Nun, ich entschuldige mich hiermit«, sagte ich belustigt, »dafür, daß meine Energie aus dem Ruder gelaufen ist.«
Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Ich glaube, ich muß zurück. Die werden sich schon fragen, wo ich bleibe.«
Ich ließ genügend Geld für die Rechnung auf dem Tisch zurück, und wir gingen hinaus zu Wils Jeep.
Die Nacht war so kühl, daß wir unseren Atem sehen konnten. Nachdem wir eingestiegen waren, sagte sie:
»Fahr auf dieser Straße zurück nach Norden. Ich sage dir dann, wo du abbiegen sollst.«
Ich nickte, wendete den Wagen auf der Straße und fuhr in die angegebene Richtung.
»Was weißt du über die Farm, zu der wir unterwegs sind?« fragte ich.
»Meines Wissens hat Robert sie gemietet. Seine Gruppe benutzt sie anscheinend seit geraumer Zeit zum Studium des Manuskriptes. Seitdem ich hier bin, sind alle mit den Vorbereitungen und Wartungs-arbeiten für die Reise beschäftigt. Einige der Männer dort sind mehr als nur rauhe Burschen.«
»Wieso hat er dich eingeladen?« fragte ich.
»Er sagte, daß er jemanden brauche, der ihm bei der Interpretation der Erkenntnisse helfen könne, wenn er sie erst einmal gefunden habe. Seit wir hier sind, hat er allerdings nur über Ausrüstungsgegenstände und Reisevorbereitungen gesprochen.«
»Wo genau will er hin?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte sie. »Wenn ich ihn danach frage, antwortet er nie.«
Nachdem ich ungefähr eine Meile gefahren war, zeigte sie auf einen schmalen, steinigen Feldweg, der zu unserer Linken von der Straße abging. Er zog sich einen Hügel hinauf und lief dann in ein flaches Tal aus. Dort lag ein Farmhaus aus rohen Holzplanken.
Dahinter standen einige Scheunen und Toilet-
tenhäuschen. Aus einem Gehege glotzten uns drei Lamas entgegen.
Als der Wagen zum Stehen kam, näherten sich
einige Leute und starrten uns ausdruckslos und ohne ein Zeichen der Begrüßung an. Mir fiel ein
gasgetriebener Elektrogenerator auf, der an der Seite des Haupthauses brummte. Dann flog die Tür auf, und ein großer dunkelhaariger Mann mit ausgeprägten, schmalen Gesichtszügen kam auf uns zu.
»Das ist Robert«, sagte Marjorie.
»Gut«, sagte ich, immer noch stark und zuversichtlich.
Als Jensen bei uns angekommen war, stiegen wir gerade aus. Er sah Marjorie an.
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, sagte er.
»Man hat mir gesagt, daß du einen Freund getroffen hättest.«
Ich stellte mich vor, und er begrüßte mich mit einem festen Händedruck.
»Ich bin Robert Jensen«, sagte er. »Ich bin froh, daß euch nichts passiert ist. Kommt rein.«
Im Inneren des Hauses waren mehrere Leute mit dem Herrichten von Ausrüstungsgegenständen beschäftigt. Jemand trug ein Zelt und Campingzeug in den hinteren Teil, und durch das Eßzimmer hindurch sah ich, wie zwei peruanische Frauen damit
beschäftigt waren, Essen einzupacken. Jensen setzte sich auf einen der Sessel im Wohnzimmer und bot auch uns einen Platz an.
»Weshalb sagten Sie, Sie seien froh, daß uns nichts passiert ist?« fragte ich.
Er beugte sich vor und fragte in ernstem Tonfall:
»Wie lange halten Sie sich schon hier in der Gegend auf?«
»Erst seit heute nachmittag.«
»Dann können Sie nicht wissen, wie gefährlich es hier ist. Menschen verschwinden. Haben Sie von dem Manuskript und der verschollenen Neunten
Erkenntnis gehört?«
»Ja. Um genau zu sein...«
»Dann müssen Sie auch darüber informiert sein, was hier vorgeht«,
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