Die Psi-Agenten
ziemlich genau, daß jemand die Tür öffnete und dabei den Seifenkarton zur Seite schob. Eine Sekunde später klickte etwas, und die Hauptbeleuchtung des Lagers wurde eingeschaltet. Ich rührte mich nicht von der Stelle. Mein Herz klopfte hart gegen die Rippen.
»Ich weiß, daß du hier drinnen bist – du kannst also ruhig herauskommen«, sagte eine Männerstimme. Es war ein Bulle, darauf hätte ich gewettet.
Natürlich bluffte er. Er konnte mich ebensowenig sehen wie ich ihn. Die Regale waren zwischen uns. Aber das machte die Sache nicht viel besser. Ich spürte, wie mir der kalte Schweiß ausbrach. Bis zu diesem Augenblick hatte alles so einfach ausgesehen – ich, die kühle Bandenchefin, die Ossie und Dave an der Strippe hielt. Jetzt saß ich wie die Maus in der Falle, drückte mich flach gegen das kalte Metall des Regals und überlegte, was ich als nächstes tun sollte. Die beiden anderen saßen oben und hatten keine Ahnung. Dave konnte sich selbst heraushauen, aber der gute Ossie … Ich beschloß, die Aufmerksamkeit des Bullen auf mich zu lenken. Vielleicht gelang es ihnen, sich aus dem Staub zu machen.
»Na los! Ich warte nicht die ganze Nacht!« sagte die Stimme. Wieder hörte ich das schleifende Geräusch, und ich schätzte, daß er den Seifenkarton an seinen Platz zurückgeschoben hatte, um mir den Fluchtweg zu versperren. Dann kamen gleichmäßige Schritte näher.
Langsam, aber unaufhaltsam wie in einer Zeitlupenszene tauchte der Bulle im Korridor zu meiner Rechten auf. Er war noch etwa fünfzehn Schritte von mir entfernt. Im grellen Licht der Neonröhren erkannte ich jeden Fussel auf seiner dunkelblauen Uniform. Sogar die Schmutzspritzer an seinen gewichsten Stiefeln fielen mir auf. Er stand da und starrte in die entgegengesetzte Richtung, aber ich wußte, daß er sich jeden Moment umdrehen würde.
Bevor das geschah, mußte ich etwas unternehmen. Ich schloß die Augen und konzentrierte mich. Diesmal war es kein Schabernack wie auf dem Sportplatz, als die Fliegende Untertasse vor der Nase unserer Turnlehrerin landete – oder wie damals, als die Heilige Jungfrau mir, Freda Cole und Betty Dawson hinter dem Fahrradschuppen erschien. Diesmal mußte es einfach klappen – aber andersherum, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Ich flüsterte immer wieder: »Gott, mach, daß er mich nicht sieht!« Mein Körper war ganz steif, und ich grub die Fingernägel in die Handflächen, bis es weh tat.
Dann öffnete ich die Augen. Er drehte sich eben in meine Richtung. Zuerst sah ich sein Kinn unter dem Helm, dann sein Profil, dann das ganze Gesicht – die große Nase mit den roten Adern darin und die schlechtrasierten Wangen. Ich kannte ihn – P. C. Johnson. Mit ihm hatte ich schon des öfteren zu tun gehabt.
Jetzt sah er mich an, aber sein Blick hatte etwas Verschwommenes an sich. Für ihn existierte ich nicht. Ich war unsichtbar.
Als ich merkte, daß es funktionierte, hätte ich beinahe einen Freudenschrei ausgestoßen und alles verdorben, aber ich beherrschte mich noch rechtzeitig.
»Verdammt!« murmelte er und kam verwirrt näher. Seine Blicke wanderten über die Regalreihen.
Fünf Schritte, vier … drei … Er war jetzt dicht vor mir, so dicht, daß ich seinen Atem riechen konnte.
»Gott, mach, daß er mich nicht sieht!« Ich wagte keinen Muskel zu rühren.
Sein blauer Tuchärmel war jetzt fünfzehn Zentimeter von mir entfernt, und ich sah die klobigen, behaarten Finger. Aber immer noch hatte er mich nicht bemerkt. Und dann ging er an mir vorbei, mit den gleichen bedächtigen Schritten, und ich starrte seinen breiten Rücken an.
»Komm schon! Mich kannst du nicht zum Narren halten!« Seine Stimme klang jetzt wütend. Er bewegte sich schneller. Ich wartete, bis er am Ende des Korridors angelangt war und um die Ecke bog.
Ich sah nach unten. Der kleine blaue Karton stand immer noch da, wo ich ihn hingestellt hatte. Ich nahm drei der schwarzgoldenen Schachteln heraus, öffnete sie und schob die Parfumfläschchen ohne Verpackung in die Taschen meiner Levis.
Dann holte ich tief Atem und steuerte die Tür an. Vielleicht gelang es mir doch noch, ungesehen zu entkommen …
Er hörte mich erst, als ich fast am Ziel war. Er schrie hinter mir her, aber ich wußte, daß ich die Tür aufstemmen konnte, bevor er mich überhaupt sah.
Und dann spürte ich einen stechenden Schmerz am Schienbein und verlor das Gleichgewicht. Boingg! Einen Moment lang war ich ganz benommen. Ich hatte die verdammten Seifenkartons
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