Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
Stiefel zur Seite und folgt ihr weiter ins Haus. Die Kisten stehen in jeder Ecke, zugeklebt und aufeinandergetürmt. Flea ist in der Küche und macht Kaffee. Sie hat Jacke und Sweatshirt ausgezogen und trägt schwarze Combats und ein Polohemd mit dem Abzeichen der Unterwasser-Sucheinheit auf der Brust. Ihr blondes Haar ist nachlässig hochgesteckt, und ihre Arme sind übersät mit Kratzern und Schrammen von der heutigen Suche. Als sie Wasser in den Kocher laufen lässt, muss sie um eine verklebte Kiste auf dem Boden herumsteigen.
»Was ist hier los? Ziehen Sie um?«
»Nicht so, wie Sie denken.«
»Klingt geheimnisvoll.«
»Yep. Geheimnisvoll.«
Sie klappert herum und macht eine Menge Lärm, als sie Gegenstände aus den Schränken holt. Sie knallt Tassen und Löffel und eine Zuckerdose auf den Tisch.
»Ihr Haus?«, fragt Caffery. »Sind Sie hier aufgewachsen?«
»Milch? Zucker?«
»Beides, danke. War sicher gut, hier groß zu werden.«
Sie hält inne, und der Wasserkocher schwebt über dem Becher. Er erkennt seinen Fehler. Ihre Eltern. Er ist ein Idiot. »Tut mir leid«, sagt er leise. »Wirklich.«
Sie gießt das Wasser auf, gibt Milch dazu, rührt um und reicht ihm den Becher.
»Nehmen Sie ihn mit – ich werde Ihnen zeigen, was ich tun musste.«
Sie gehen in einen anderen Korridor – Caffery hat den Eindruck, das Haus ist ein Kaninchenbau – und kommen zu einer Tür, die in eine Garage führt.
»Hier«, sagt sie, »wurde die Sache dann wirklich fies.«
Der Mond hat eine Lücke zwischen den Wolken gefunden und diesen Moment erwählt, um durch die Fenster über dem Rolltor hereinzufallen. Sein Licht erfasst die filigranen Spinnweben und lässt sie funkeln wie eine Weihnachtsdekoration. An den Wänden hängen Gartenwerkzeuge in säuberlicher Ordnung. Auch hier stapeln sich Kartons. Mitten in der Garage steht eine gusseiserne viktorianische Badewanne.
»Was ist passiert?«
»Nach vier Tagen – als ich gefunden hatte, was Thom in meinen Kofferraum gestopft hatte – habe ich den Wagen hier hereingebracht. Mein erster Gedanke war die Gefriertruhe …« Sie deutet mit dem Kopf auf die Truhe in der Ecke. »Dann fiel mir ein, was ein Rechtsmediziner mir über Eiskristall-Artefakte erzählt hat. Schon mal gehört?«
»Ich glaube ja. Im Herzmuskel oder so – man kann daran erkennen, dass eine Leiche gefroren war?«
»Ja. Also musste ich sie kühlen. Kühlen, ohne sie einzufrieren.« Kopfnickend schaut sie die Badewanne an. »Eimerweise Eis habe ich hier reingekippt, bis ich wusste, was ich mit ihr anfangen sollte.«
»O Gott.«
»Dabei sollte ich daran gewöhnt sein, mit Leichen zu hantieren. Das ist mein Job .«
Sie geht zum Fenster, stellt sich auf die Zehenspitzen und betrachtet die Rahmen, als enthielten sie so etwas wie einen Hinweis. Es ist eisig kalt in der Garage, und ihr Atem lässt die Glasscheiben beschlagen. Der Mond scheint schräg von der Seite auf ihr Gesicht. Als er sie so sieht, vor dem Fenster und im Mondlicht, wird ihm wieder klar, wie zierlich sie ist. Immer wenn er Flea ansieht, leuchtet der animalische Teil seines Gehirns auf. Das limbische System schaltet auf Overdrive, und manchmal schreit es nach Sex . Manchmal schreit es auch: Beschütze sie! Töte alles, was sie bedroht …!
»Ich habe sämtliche Fensterscheiben abgeklebt, aber meine Nachbarin wusste, dass hier etwas im Gange war.« Sie schaut hinüber zu der turmhohen Wand des Nachbarhauses. »Hat ständig hier herumgeschnüffelt – ich bin fast verrückt geworden. Es war …« Sie legt einen Finger an die Stirn und wippt auf den Fersen zurück. Nach einer kleinen Pause sagt sie: »Surreal. Ich kann es immer noch nicht glauben.«
Sie dreht sich um und lächelt ihn betrübt an.
»Zwei Punkte, die gegen mich sprechen: dass ich nach Aktenlage in der Nacht gefahren bin und die Zeugenschaft meiner Nachbarin. Und als ob das nicht reichte, gibt es noch mehr. Erinnern Sie sich an den Glatzkopf – den Inspector, der bei dem Selbstmord an der Strawberry Line zuständig war?«
Caffery erinnert sich gut an den Mann. Flea und der Mann waren aufeinander losgegangen wie zwei Ziegenböckchen. »Ja, den konnten Sie wirklich nicht ab.«
»Das beruhte auf Gegenseitigkeit.«
»Aber Sie haben ihn einen alten Spacko mit zugekämmter Glatze genannt.«
»Stimmte ja auch. Er war ein alter Spacko mit zugekämmter Glatze. Ein richtiger Tintenpisser. Es war bei uns beiden Hass auf den ersten Blick. Was Sie nicht miterlebt haben, war der
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