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Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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seltsam, dass man ihn nicht allein draußen herumlaufen lassen kann, weil er sonst womöglich in den Wald rennt und abhaut. AJ hasst diese Lüge, zerbeißt sie fast, so sehr presst er die Zähne zusammen, als er sie vorbringt, aber er traut sich nicht, ihr zu sagen, was er getan hat. Ihm graut vor dem Augenblick, da das Telefon klingelt und Cafferys Stimme am anderen Ende sagt: Ich werde nach Beechway hinauskommen müssen .
    Bis dahin wird er so weit sein. Das hat er sich selbst versprochen. Bis dahin wird er Melanie alles erklärt haben, und ihr wird es recht sein. Sie wird es verstehen, denn bis dahin wird sie zur Besinnung gekommen sein. Er steht auf der Herrentoilette, schaut sich im Spiegel an und zwingt sich, das Versprechen zu wiederholen.
    »AJ, du wirst den richtigen Augenblick finden, um es ihr zu sagen. Schwör es jetzt, schwör es. Ich verspreche es. Bei Stewarts Leben, ich schwöre.«
    Um siebzehn Uhr, als er mit Dienstplänen und Überstundenabgeltungen fertig ist und sich vergewissert hat, dass alle Pflegeplan-Änderungen eingetragen sind, ist er fix und fertig. Die langen Abende machen sich bemerkbar. Er schließt sein Büro ab und macht sich auf den Heimweg. Melanie hat einen Vorstandsbericht zu verfassen; sie wird später nachkommen.
    Patience hat den Tag damit verbracht, eine weitere Herausforderung zum »Frühstück« zusammenzustellen: ein richtiges englisches Kedgeree – Reis mit Eiern, Fisch, gehacktem Schnittlauch und Koriander. Als AJ allein hereinspaziert kommt, steht ihr die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.
    »Ach, Patience, zwing sie nicht noch einmal. Sie hat doch bestanden.«
    »Mädels muss man füttern.«
    »Ihr wird nur schlecht.«
    Patience spitzt die Lippen und hantiert in der Küche herum. Sie bringt einen Becher Kaffee mit Sahne und Ketchup für das Kedgeree. Bei dem, was sie ihm auftischt, müsste AJ eigentlich so groß wie ein Haus sein.
    »Ich habe deine Wäsche gewaschen. Alles hängt gebügelt in deinem Schrank – für den Fall, dass du dich bedanken möchtest.«
    »Ich danke dir, Patience.«
    »Und zu deiner Information …« Sie schaufelt das gelbe Kedgeree auf seinen Teller und setzt es ihm vor. »Der Schutzheilige der geschmackvollen Kleidung hat uns besucht. Dein Hawaiihemd ist weggeweht.«
    »Was?«
    »Von der Wäscheleine. Weg.«
    »Patience«, sagt er warnend, »das war mein Lieblingshemd.«
    »Ich weiß. Und ich sage die Wahrheit. Ich habe es mit Wäscheklammern festgesteckt wie alles andere. Muss der Wind gewesen sein. Hat offenbar einen besseren Geschmack als einige von uns.«
    Sie wendet sich ab, schnalzt mit der Zunge und kümmert sich um ihre Marmelade. Hebt jeden Deckel, späht in die Töpfe und setzt dicke Dampfwolken frei. AJ greift seufzend nach Messer und Gabel. Als sie ihre Marmeladenpflichten erfüllt hat, sind die Fenster beschlagen, und AJ hat seinen Teller leergegessen. Sie schnappt ihn sich, geht damit zum Herd und schaufelt noch eine Portion Kedgeree auf.
    »Vorsicht«, sagt er. »Sonst reicht’s nicht für Melanie.«
    »Das werden wir schon sehen«, sagt sie säuerlich. »Das werden wir schon sehen.«
    AJ sieht sie mit schmalen Augen nachdenklich an und fragt sich, was los ist. Er glaubt, er weiß es. Er nimmt die Ketchupflasche und spritzt Ketchup auf sein Essen. »Und?«, fragt er beiläufig und lässt den Flaschendeckel klickend zuschnappen. »Was sagst du?«
    »Was sage ich wozu? Was sage ich zu deinem Hawaiihemd? Das weißt du. Was sage ich zu deinem Job? Das weißt du. Was sage ich dazu, wie du deinen Hund verwöhnst? Das weißt du.«
    »Und du weißt, wovon ich rede.«
    Patience schnalzt missbilligend. Sie trägt den Kedgeree-Topf zum Herd, stellt ihn auf die Warmhalteplatte und setzt den schweren Deckel darauf.
    »Und? Na komm – spuck’s schon aus.«
    »Gefällt mir, wie sie isst«, sagt Patience zurückhaltend. »Sie isst wie ein richtiger Mensch.«
    »Und davon abgesehen? Was meinst du?«
    Patience antwortet nicht. Sie nimmt einen Topflappen und bückt sich, um die Gläser zu kontrollieren, die sie da sterilisiert.
    »Patience? Ich habe dich was gefragt.«
    Sie schlägt die Ofentür zu. »Ich habe deine Frage gehört. Ja, wirklich.«
    »Und deine Antwort?«
    »Ich mache mir Sorgen.« Sie wischt sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und wirft es auf den Tisch. »Wenn ich die hochheilige Wahrheit sagen soll, dann glaube ich, diesmal ist es anders.«
    »Anders?«
    »Ja – zum ersten Mal sehe ich, dass mein Neffe sich benimmt

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