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Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Ich kann nicht tauchen.«
    »Und das ist die Wahrheit? Oder eine Ausrede?«
    Sie kann darauf nicht antworten. Sie kann nicht, denn was sie sagen würde, müsste ungefähr so klingen: Es ist eine Ausrede. Tatsächlich kann ich tauchen, ich will nur die Kiste mit der Vergangenheit nicht noch einmal öffnen – denn wenn ich das tue, fällt alles heraus, und alles geht zum Teufel .
    Und dann würde sie wahrscheinlich anfangen zu weinen.
    »Ich muss gehen.« Sie wühlt in ihren Taschen nach dem Autoschlüssel.
    Er schüttelt den Kopf und gibt sich geschlagen. »Noch einmal? Sie wollen noch einmal vor dem Problem davonlaufen?«
    »Tut mir leid, Jack. Es wird spät.«
    »Nein – das ist wirklich nicht mehr komisch. Wirklich. Nicht komisch. Ich hab’s satt – und vor allem hab ich es satt, wie Sie Ihren bescheuerten Bruder beschützen.«
    » Das ist es nicht «, sagt sie entsetzt. »Es geht nicht um meinen Bruder.«
    »Worum dann? Hmmm? Was ist es?«
    Sie steht da und schaut ihn lange an, und das, was in ihrem Innern nachgeben möchte, fängt an zu zittern. Aber sie wird nicht weinen. Sie wird nicht weinen.
    »Bitte, Jack – bitte, Sie verstehen das nicht.«
    »Vergessen Sie’s.« Er wendet sich ab und hebt die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. »Vergessen Sie’s einfach. Ich will es nicht hören.«
    Die alte Mühle
    Penny liegt voll bekleidet auf ihrem Bett, und eine steinerne Leere senkt sich in ihren Kopf. Die alte Mühle liegt leer und still unter ihr – kein Knarren, kein Laut. DI Caffery ist längst weg. Penny hat ihm nachgesehen, durch die Herzlöcher in den Fensterläden an der Vorderseite des Gebäudes. Er ist nicht sofort zu seinem Auto gegangen, sondern durch die Gartenpforte zur hinteren Terrasse, wo alle ihre Pflanztöpfe stehen. Da stand er eine Weile und schaute über das Tal hinweg zu den Baumwipfeln, wo die Upton Farm ist. Wind kam auf und ließ sein Jackett flattern, schnippte seine Krawatte nach oben und drückte Hemd und Hose an seinen Körper. Das schien den Bann zu brechen, der ihn da festhielt. Er ging den Weg zurück, den er gekommen war, setzte sich in seinen Wagen und war weg.
    Caffery muss in ihrem Alter sein, vielleicht ein bisschen jünger. Viele Frauen würden ihn sexy finden, aber er wäre kein Mann von der Sorte, die sie heiraten wollen. Viele Frauen brauchen einen Charmeur, einen Schmeichler, einen Mann, der Geld für zellophanverpackte Valentinsgeschenke ausgibt. Er ist nichts von all dem, das hat sie schon auf eine Meile gesehen. Dafür hat er etwas Geradliniges an sich. Etwas Ehrliches. Kein Trauring, hat sie gesehen. Vielleicht wegen der zellophanverpackten Geschenke.
    Sie schließt die Augen. Sinnlos, sich zu fragen, wie alt Caffery sein mag und ob er Single ist oder nicht, denn er wird in einem schicken Loft-Apartment in der Stadt wohnen. Er wird jeden Abend mit unzähligen Freunden in den besten Restaurants essen. Er hat eine Reihe von schönen und erfolgreichen Freundinnen. Er gehört zu einer völlig anderen Spezies als Penny. Alle Männer tun das. Besser gesagt, sie ist die andere Spezies.
    Penny kann nicht nachvollziehen, was in anderen Menschen vor sich geht. Sie kann ihre Stimmungen nicht entziffern, nicht die vielschichtigen Täuschungen, mit denen sie ihr wahres Wesen verhüllen. Isaac zum Beispiel. Es hat eine Zeit gegeben, da dachte sie wirklich, er mag sie. Sie hat sogar geglaubt, er sehe in ihr eine Mutter, die fürsorglicher war als Louise – ganz so, wie sie sich eingebildet hat, Graham sehe in ihr eine Frau, die fürsorglicher war als seine eigene. Da hat sie sich geirrt wie so oft. Diese Lektion hat sie immer wieder lernen müssen: In diesem riesigen menschlichen Puzzle gibt es kein spiegelbildliches Steinchen, das zu ihr passt, keine Ausbuchtung, in die sie sich wölben kann. Sie hat die Hoffnung aufgegeben.
    Sie denkt an diesen Tag vor all den Jahren. Es war kalt und feucht und sehr still, und die Wolken hockten wie eine Warnung über dem Land. Sie erinnert sich, wie Isaac die Treppe herunter- und zur Tür herausgeschossen kam und dabei den Garderobenständer im Flur umwarf. Er trug seine Schulschuhe mit den Socken und sonst nichts. Oberkörper und Arme waren mit Blut und Kot beschmiert. Ein Fremder hätte den Anblick missverstehen können, er hätte vielleicht geglaubt, Isaac werde angegriffen, und er brauche Hilfe. Aber Penny wusste Bescheid.
    Sie sprang zurück ins Auto und drückte auf den Knopf der Zentralverriegelung. Er kam auf sie zugerannt.

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