Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
Penny, Penny – seine Stimme klang dunkel und unnatürlich. Als sie den Motor startete, sprang er auf die Haube. Beine und Genitalien waren blutverschmiert. Sie drückte auf die Hupe, legte den Rückwärtsgang ein und gab Vollgas, sodass er im Salto von der Motorhaube auf den Boden flog. Sie bremste und schaltete die Scheinwerfer ein, und zitternd saß sie da und beobachtete ihn. Er rappelte sich schon wieder hoch und stand schwankend auf den Beinen – vielleicht hatte er getrunken –, und er torkelte umher und tastete auf dem Boden herum, bis er fand, was er verloren hatte: eins seiner Püppchen. Er war so heiß von Blut und Tod, dass er in der kalten Luft dampfte.
Er richtete sich auf und drehte sich zu Penny um.
»Nein«, zischte sie. »Mich kriegst du nicht auch noch.«
Sie trat das Gaspedal herunter. Tanzend und schleudernd jagte der Wagen voran und ließ ihn hastig in die Scheune rennen. Er schlug die Tür hinter sich zu, und Penny – high von Angst und Adrenalin – wagte es, aus dem Wagen zu springen und den großen Riegel vorzuschieben, sodass er eingesperrt war. Erst als sie die Telefonzelle erreichte und Harrys Nummer wählte, fing das Zittern an.
Jetzt rollt sie sich in ihrem dunklen Schlafzimmer zusammen und zieht sich den Quilt über die Ohren. Sie hat die Toten nie gesehen und auch nicht das Zimmer. Sie hat sich das alles zusammengereimt – einiges aus dem, was sie auf Isaacs nacktem Körper verschmiert sah, und einiges aus späteren Zeitungsartikeln, aber das meiste aus den Fragen, die Harry nicht beantworten wollte. Nach dem, was er im Haus der Handels gesehen hat, war er nie wieder derselbe.
Ihr fällt etwas ein. Sie richtet sich auf und knipst die Leselampe an, greift nach ihrer Brille und hebt den Quilt hoch. Der fehlende Flicken. Sie hatte an Isaac denken müssen, als sie es vor zwei Tagen bemerkt hatte, an seine Gewohnheit, Stoff von Kleidungsstücken für seine Püppchen zu stehlen. Da hat sie noch nicht gewusst, dass er entlassen worden ist, und hat deshalb nicht weiter darüber nachgedacht. Jetzt inspiziert sie die Steppdecke fieberhaft zitternd. Die Nähte zwischen den Flicken sind überall locker. Das Stück kann sich leicht durch die allgemeine Abnutzung gelöst haben. Nichts deutet darauf hin, dass es herausgeschnitten worden ist.
Aber der Gedanke geht nicht weg, die plötzliche, beängstigende Idee, Isaac könnte wieder da sein. Sie steht auf und geht die Treppe hinunter. Auf der großen, bemalten Standuhr ist es acht. Noch einmal kontrolliert sie alle Fenster und Türen. Sie will eben zur Treppe zurückkehren, als ihr Blick auf die Mispeln in dem kleinen Lagerraum fällt. Da ist auch eine Art Speisekammer, in der sie Schachteln mit Zitronensäure und Gelatine aufbewahrt. In der Rückwand ist eine Tür, und die Tür führt in den Keller. Sie hat ein Schloss, aber Penny hat nicht nachgesehen, ob sie auch verschlossen ist.
Wie dumm, wie dumm, sagt sie sich. Du verwandelst dich in ein wahres Nervenbündel. Reagierst völlig über. Ein Arzt würde sagen, du leidest unter dem Fluch der Frau: Hysterie aufgrund eines hormonellen Ungleichgewichts. Wann erwarten Sie Ihre nächste Periode, Miss Pilson?
Aber sie kann nicht aufhören, die Speisekammer anzustarren.
Unter den Bodendielen liegen die Skelette der Mühle. Das Wasserrad ist längst verrottet, doch die riesigen Steintröge, in denen sie die Vliese gewaschen haben, sind noch da, genau wie die alten Wartungsluken aus der Zeit, als man ein Kind hinunterschickte, damit es einen Ast entfernte, der im Mühlrad festklemmte. Da unten ist ein Labyrinth von Tunneln und Rohren und Schleusen – verstopft und verschlossen zum größten Teil, aber wenn wirklich jemand ins Haus kommen wollte … wenn er es wirklich wollte …
Sie holt ihre schwerste Pfanne aus der Küche. Neben der Hintertür hängt eine Taschenlampe. Sie schlingt sich die Schlaufe um das Handgelenk und macht die Lampe an. Dann begibt sie sich in die Speisekammer. Hier hängt eine nackte Glühbirne, und sie schaltet sie ein. Doch sogleich überlegt sie es sich anders und schaltet sie wieder aus. Sie stellt sich vor, wie sie durch diese Tür betrachtet aussehen wird: hell angestrahlt wie auf einer Kinoleinwand. Eine perfekte Zielscheibe.
Sie macht einen Schritt nach vorn. Legt die Finger auf den Türgriff. Sie ist schon ein paarmal durch diese Tür gegangen: Dahinter ist eine wacklige Holztreppe, die unter dem geringsten Gewicht ächzt und klagt. Strom gibt es da unten
Weitere Kostenlose Bücher