Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
gelang, die Leute zu überzeugen, ihn die Puppen behalten zu lassen.
Warum?, fragt Caffery sich. Graham und Louise waren doch schon tot. Warum wollte er ihre Nachbildungen behalten?
Er geht in die Küche und holt sich eine Leselampe und ein Vergrößerungsglas. Durch die Lupe betrachtet, verstört die Hässlichkeit der Puppen noch mehr. Ihre Zähne sind aus polierten Muscheln, und sie unterscheiden sich von den anderen dadurch, dass ihre Augen zugenäht sind. Wenn die Puppen symbolisieren, was Isaac ihren Gegenstücken im wirklichen Leben antun wollte, hat er ihnen die Augen dann zugenäht, weil er sie tot sehen wollte? Und hat er nach dem Mord an seinen Eltern noch mehr mit den Puppen gemacht? Sie sind übersät von feinen Einstichen, und ihre Köpfe sind mehrfach verdreht worden, sodass im Leder am Hals eine brüchige schwarze Falte zurückgeblieben ist. Vielleicht hat es nicht genügt, die Eltern einfach nur umzubringen, denkt Caffery. Vielleicht hat er die Puppen behalten, um seine Mutter und seinen Vater noch über das Grab hinaus zu quälen.
Caffery lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtet sein Spiegelbild in der schwarzen Fensterscheibe. Über den Bäumen sind ein paar Sterne zu sehen, aber ansonsten liegt die Landschaft weit und schwarz und grenzenlos da. Handel ist irgendwo da draußen – und Caffery versucht, sich vorzustellen, was er denkt. Was er vorhat mit seinem Teppichmesser, seiner Zange und seinem Draht.
Station Löwenzahn
»Maude« ist nicht weg. Es hat sie alle überlistet. Es hat es sich anders überlegt und ist zurückgekommen. Es ist nicht weit weg, gar nicht weit weg. Schon jetzt hat es Dinge getan, an die Monster Mother nicht denken mag. Dinge, die es niemals hätte tun dürfen.
Sie sitzt mitten im Zimmer im Dunkeln und wiegt sich vor und zurück. Sie ist nicht im Aufenthaltsraum gewesen – sie mag die verschiedenen Farben nicht, die ihre Monsterkinder tragen, und auch nicht die Regenbogen, die über den Fernseher tanzen. Sie lassen ihre Stimmung hundert Mal in der Sekunde hin und her schwingen. Also bleibt sie auf dem Boden in ihrem Zimmer hocken, immer noch in ihrem fliederfarbenen Gewand, immer noch glücklich, weil heute ein fliederfarbener Tag ist und sie dafür sorgen wird, dass es so bleibt. Trotz allem.
AJ ist das beste unter ihren Kindern. Und er wird cleverer. Cleverer und immer cleverer. Er hat das Extra-Auge nicht, aber vielleicht wächst ihm noch eins. Denn allmählich kommt er der Wahrheit nahe. Der großen Wahrheit, die Monster Mother in all den Jahren schweigend beobachtet hat.
AJ hat Isaacs Puppen gefunden. Die Puppen, mit denen er fertig ist. Aber die, mit denen Isaac nicht fertig ist, die hat er nicht gefunden. Die Geister kommender Dinge. Monster Mother hat sie gesehen – sie wird es keiner Menschenseele erzählen, doch sie hat Handel beobachtet mit seinen geschäftigen Fingern, seinem Herzen voller Rachsucht und Wut. Sie hat gesehen, wie er die anderen Puppen gemacht hat – die beiden Lady-Puppen –, die eine blond, die andere mit kurzem stachligem Haar. Rot, leuchtend rot, so rot wie eine Mohnblume. Mit baumelnden Ohrringen und baumelnden Armreifen und einem geblümten Kleid.
Ein dunkelhaariger Puppenjunge hält dieses Puppenmädchen fest. Ihre Gesichter sind einander zugewandt. Seine Arme umschlingen sie fest, so, wie ein Junge manchmal ein Mädchen eng umschlungen hält, wenn niemand zuschaut.
Monster Mother stöhnt leise. Sie wiegt und wiegt und wiegt sich, und ihr Mondschatten springt in spitzen Zacken auf dem Boden um sie herum. Der fehlende Arm tut weh, wie er es oft tut, wenn ihre Stimmung sich ändert. Wenn es schlimmer wird, wenn »Maude« näher kommt, wird Monster Mother ihre Haut abnehmen und sich wieder verstecken müssen.
Morgen wird es ein dunkel-, dunkelblauer Tag werden. Meerblau wie die Mitternacht.
Ewig grüßt das Murmeltier
Flea wacht voll bekleidet um sechs Uhr früh auf dem Sofa auf. Es pocht in ihrem Kopf, und sie hat einen trockenen Mund. Die Vorhänge sind offen, und draußen ist es noch dunkel und eisig, eine kristalline Stille. Der Winter ist unterwegs. Sie dreht sich auf die Seite, zieht das Kissen unter ihr Gesicht und starrt den lautlosen Fernseher an. Vielleicht hat sie was verpasst, und es ist Murmeltiertag, denn auf dem Bildschirm ist schon wieder Jacqui Kitson. Ein anderes Sofa, ein anderes Kleid, ein anderer Interviewer. Aber der Gesichtsausdruck ist der gleiche. Flea stellt die Lautstärke nicht höher. Das
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