Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
nicht – nirgends. Nur Moos und Stein und gehärteter Isolierschaum in den Spalten.
Mach auf. Mach auf. Da ist nichts. Nichts.
Ihre Hand zittert.
Mach auf. Mach schon auf – beweise dir, dass er nicht da steht. Mach auf .
Sie atmet ganz tief aus. Schiebt die beiden großen Riegel oben und unten vor und dreht den alten Schlüssel im Schloss. Dann zieht sie hastig ein paar Kisten von den Regalen und stapelt sie vor der Tür. Alles, was schwer ist – und alles, was Glas enthält, das Lärm machen wird, wenn man es umwirft. Die äußere Schranktür hat kein Schloss, nur eine altmodische T-förmige Haspe. Sie holt eine Schnur und wickelt sie ein paarmal herum. Dann schiebt sie einen Stuhl vor die Schranktür und sinkt rückwärts gegen die Wand, zitternd und schwitzend.
Graham und Louise Handel
Caffery fängt an, eine SMS an Flea zu verfassen. Er schafft zwanzig Wörter, und dann überlegt er es sich anders, steckt das Telefon ein und geht ungeduldig im Garten umher. Er benimmt sich wie ein Mann, der sich immer und immer wieder selbst ins Gesicht schlägt. Hofft er immer noch, Flea könnte es sich anders überlegen? Was für ein Witz. Am besten, er geht jetzt dem Fall Isaac Handel auf den Grund, atmet dann tief durch und macht sich auf die Suche nach Alternativen, wie der Fall Misty Kitson abzuschließen wäre.
Schließlich, aus keinem speziellen Grund, außer dass er nicht weiß, was er sonst damit anfangen soll, vergräbt er Mistys Kleider wieder im Garten und bedeckt sie mit Erde. Er will die Sporttasche mit den Puppen nicht aus dem Wagen holen; es ist das Letzte, was er will, aber er tut es trotzdem. Der einzige Raum, den er vom Rest des Hauses abriegeln kann, damit der Gestank sich nicht überall ausbreitet, ist das Hauswirtschaftszimmer. Also bringt er die Tasche dorthin. Dann duscht er und zieht ein altes T-Shirt und eine Jogginghose an. Eine Stunde lang druckt er alles aus, was er im Netz über Voodoo-Puppen findet. Er schenkt sich einen großen Scotch ein und geht mit dem ausgedruckten Material in den Hauswirtschaftsraum. Dort zieht er sich die Einmalhandschuhe wieder an und fängt an, die Puppen durchzusehen.
Sie sind ein hässlicher Mischmasch von Texturen – Handel hat anscheinend alle möglichen Materialien verwendet, von Patchwork-Quadraten über rohe Schafwolle und glasierten Ton bis hin zu kleinen Holzstücken. Alles, was er hat finden können. Sie sind primitiv und verstörend, und sie vermitteln einem das Gefühl, als wären fremde Leute im Haus.
Die ausgedruckten Texte verraten ihm, dass diese Puppen fast nichts mit der haitianischen Variante des Voodoo verbindet; der einzige Ort, wo sie in Erscheinung treten, ist New Orleans, wo Voodoo eine Art amerikanisierte Renaissance für die Touristenindustrie erfahren hat. Doch auch in Schauerromanen – dem Lesestoff, der einem vierzehnjährigen Jungen gefallen könnte – treten diese Puppen auf, und zwar als Werkzeuge des Schreckens. Mit ihnen lassen sich die Menschen beherrschen, die sie darstellen.
Caffery fummelt zwei der Puppen heraus und schiebt sie zur Seite. Beide sind aus Leder – menschliche Umrisse, grob zusammengenäht mit etwas, das für Cafferys laienhaftes Auge aussieht wie das Katgut von einem Saiteninstrument. Als Isaac nach den Morden aus dem Haus kam, hatte er zwei Puppen in den Händen. Penny hat sie nur kurz gesehen, und sie weiß nicht, was nachher aus ihnen geworden ist, aber sie behauptet, sie habe sie vorher schon mal gesehen und es seien die gewesen, die Graham und Louise Handel darstellten.
Die Akte über Isaacs Jugendhaft ist – wie es üblich ist – nach drei Jahren vernichtet worden, und so kann er nicht feststellen, welche persönlichen Besitztümer aufbewahrt worden sind. Aber es ist keine besonders waghalsige Vermutung, dass die Puppen, die Caffery jetzt vor sich sieht, diejenigen sind, die der Junge damals in den Händen hielt. Die Kleider, die sie tragen, sind denen auffallend ähnlich, die nach dem Bericht der Spurensicherung an den Leichen der Handels gefunden wurden – Jogginghose und ein T-Shirt an der weiblichen Puppe und eine braune Cordhose an der männlichen. Möglich, dass sie einer Reihe von Gewahrsamsaufsehern und Krankenpflegern so unschuldig erschienen, dass sie unbemerkt durch das System schlüpfen konnten. Ein zwangseingewiesener Patient mit einer besonderen Anhänglichkeit zu einem Gegenstand? Der beim Scannen keine Spuren von Metall oder spitzen Objekten aufwies? Denkbar, dass es ihm
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