Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
Rucksack auf, hängt ihn über die Schulter und wendet sich ab, ihrem Auto zu.
»Offen gesagt, Jack, ich habe das Gefühl, dass jemand hier langsam die Übersicht verliert, und das muss ich mir nicht … Hey!« Sie bleibt stehen. Er hat nach dem herunterbaumelnden Gurt ihres Rucksacks gegriffen und hält sie fest. »Loslassen!« Sie sträubt sich, lehnt sich zurück und zerrt an ihrem Rucksack, aber er lässt nicht los. »Was soll das? Lassen Sie los.«
Er zieht sie zurück mit beiden Händen. Sie ist stark, überraschend stark, und er muss seine ganze Kraft aufwenden, damit der Rucksack bleibt, wo er ist. »Hören Sie auf«, sagt er. »Hören Sie auf damit, und setzen Sie sich hin. Ich weiß, was los ist – also halten Sie still, und hören Sie mir zu. Ich weiß, was er getan hat.«
»Was wer getan hat? WER WER WER ? Und WAS WAS WAS ? WER hat WAS getan? Sehen Sie?« Sie reißt heftig an dem Rucksack. »Darauf haben Sie keine Antwort. Nicht mal, wenn ich Sie …«
»Thom!«, schreit er. »Thom, Ihr gottverdammter Bruder!«
Das verschlägt ihr den Atem. Sie hört auf zu schreien, hört auf zu zerren, steht einfach da und funkelt ihn an, den Kopf vorgereckt und mit schwellenden Sehnen am Hals.
»Ich weiß, was passiert ist. Ich kenne die ganze Geschichte. Gewöhnen Sie sich daran.«
Ein endloser Augenblick verstreicht. Irgendwo auf einem fernen, unsichtbaren Jetstream im Westen ändert ein Flugzeug seinen Kurs. Das Heulen der Triebwerke klingt hoch und dünn und einsam. Fleas Augen glitzern. Und gerade als er denkt, sie wird ihn anspucken, lässt sie den Rucksack los und sinkt zu Boden. Müde bis auf die Knochen lässt sie den Kopf zwischen die Knie hängen und verschränkt die Hände im Nacken.
Er steht einen Schritt weit von ihr entfernt und atmet schwer. Vor über drei Jahren hat Flea Marley ihre Eltern bei einem schrecklichen Tauchunfall verloren. Seitdem ist noch mehr in ihrem Leben schiefgegangen. Schlimm schiefgegangen. Sie hat es nicht leicht gehabt. Deshalb hat er sie in der Rolle, die sie bei Mistys Verschwinden gespielt hat, beschützt. Aber jetzt ist genug Zeit verstrichen. Jetzt wird es Zeit, dass Flea den Gefallen erwidert und ihm hilft. Beim Gedanken an diese Konfrontation hat er sich immer vorgestellt, sie werde so dankbar sein, dass sie ihm unter Tränen die Arme um den Hals werfen werde oder so etwas. Das hier hat er jedenfalls nicht erwartet. Andererseits, wenn jemand eine solche Angelegenheit so lange bei sich bewahren muss, wäre es verrückt anzunehmen, die Operation könnte schmerzlos verlaufen.
Er beruhigt sich und streicht sich die Haare aus der Stirn. Dann geht er fünf Schritte weit in die Mitte der Straße, bleibt dort stehen und dreht sich um sich selbst.
»Okay«, sagt er, »ich werde es Ihnen demonstrieren. Ein kurzer Lehrgang. Über Fahrerflucht.«
Sie hebt verwirrt den Kopf und sieht ihn an. Ihr Blick ist verschwommen.
»Ein Auto kommt aus dieser Richtung.« Er deutet nach Osten in die Ferne. »Es ist ein silberfarbener Ford Focus, und er fährt schnell. Zu schnell. Der Fahrer – Thom – ist betrunken. Er glaubt, die Straße ist frei, die Straße ist gerade. Gleichzeitig kommt eine Frau aus dem Feld da drüben herunter. Sie ist ebenfalls betrunken – und high von dem Heroin, das sie in die Klinik geschmuggelt hat. Sie ist desorientiert. Sie kommt auf die Straße, und entweder erkennt sie nicht, dass es eine Straße ist, und läuft einfach weiter, ohne sich umzuschauen, oder sie weiß es und betritt absichtlich die Fahrbahn, um den Wagen anzuhalten. Vielleicht will sie mitgenommen werden. So oder so, Thom sieht sie erst, als er hier ist.«
Caffery zeigt mit dem Finger nach unten auf die Stelle, wo er steht. »Er tritt auf die Bremse, doch er fährt so schnell, dass er erst zum Stehen kommt, als er …« Caffery geht fünfzehn Schritte die Straße entlang, bleibt stehen und spreizt die Hände. »… als er hier ist. Zu spät. Misty fliegt über das Wagendach und landet … na, ungefähr da, wo Sie sitzen.« Er wartet. Das Schweigen zieht sich in die Länge. Nur eine Eule schreit irgendwo über der Ortschaft. Caffery räuspert sich verlegen. »Jedenfalls … Thom meldet die Sache nicht. Irgendwie schafft er die Tote von der Straße. Und Sie, Flea, Sie in Ihrer grenzenlosen Weisheit, Sie beschützen Ihren Bruder. Sie vertuschen die ganze Sache für ihn.«
Er verstummt. Sie steht auf, ein bisschen wacklig und immer noch desorientiert und zittrig. Aber sie verliert das
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