Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
ab und zu vor. Epilepsie. Ich bin immer mit ihr in die neurologische Klinik in Frenchay gefahren, um sie auf ihre Medikamente einstellen zu lassen. Sie sagten, sie hätten es unter Kontrolle, aber … nein, die Medikamente haben nicht gewirkt. Sie bekommt also einen Anfall, und als sie umfällt, schlägt sie auf einen Stein im Garten.« Er tippt sich an die Schläfe. »Hiermit.«
    Melanie atmet zischend ein. »Scheußlich. Eine der schlimmsten Stellen.«
    »Sie hätte es überlebt, wenn sie ins Krankenhaus gebracht worden wäre. Aber ich bin so sehr vertieft in das, was da mit meinem Schwanz passiert, dass ich nicht an meine Mutter denke. Ich höre meinen Hund draußen bellen, achte jedoch nicht darauf. Sonst ist niemand zu Hause, und so liegt meine Mum da draußen. Sie hat eine Gehirnblutung, und ehe man sich versieht …«
    »O mein Gott.«
    »Ich weiß. Mein Gott.«
    Ein langes, dumpfes Schweigen senkt sich auf sie herab, als sie sich diese Geschichte noch einmal durch den Kopf gehen lassen, wobei Melanie vielleicht versucht, sich alles klar und deutlich vorzustellen, während AJ es lieber weniger klar vor Augen haben möchte. Scheinbar nach einer Ewigkeit legt sie ihm zögernd eine Hand auf den Rücken. »Weißt du, wenn es irgendwie hilft … mein Dad ist auch gestorben. Er hatte einen Hirntumor, und so habe ich einiges über das Gehirn gelernt. Ich bin immer mitgefahren, wenn er in die Radiologie musste. Du und ich … wir haben da etwas gemeinsam.«
    AJ erinnert sich an die radiologische Abteilung. Er ist da mit Mum immer vorbeigegangen. All die lebenden Toten, die mit ihren Plexiglas-Radiologiemasken in der Hand dasaßen und darauf warteten, sich den Kopf verschmoren zu lassen. Ihr Dad also auch? Er kommt sich dumm vor. »Es tut mir leid. Ich weiß, ich bin nicht der Einzige. Es ist selbstsüchtig von mir.«
    »Nein, nein! Das ist es nicht. Ich verstehe es vollkommen, ehrlich. Und diese Schuldgefühle kenne ich auch. Aber hör zu. Sieh es einfach so: Du warst im Dienst, als es passierte. Oder einkaufen oder im Pub …«
    »Ich weiß, ich weiß das alles. Ich weiß, was logisch ist, und ich weiß, was Wirklichkeit ist. Ich sage nicht, dass ich zum Wiedergeborenen Christen geworden bin, aber es hat mich … ernsthafter gemacht. Erwachsener? Hose an und raus? Das mache ich einfach nicht mehr. Und wie sich rausstellt, törnt gerade das eben viele Frauen besonders ab. Es zeigt sich, dass Frauen skrupelloser sind als Männer, wenn es um Sex geht.«
    »Schlampen«, sagt sie mit halb geschlossenen Augen. »Diese furchtbaren, oberflächlichen kleinen Schlampen.«
    Er lacht traurig. »Ja, schön. Ich weiß nicht, warum ich diese Rede jetzt halten musste. Ich hab’s getan. Das meinte ich damit: Ich bin altmodisch.«
    »Na, Gott sei Dank.« Sie steht auf, drückt ihn zurück auf das Sofa und setzt sich rittlings auf seinen Schoß. »Ich dachte schon, du wolltest mir sagen, du kriegst keinen hoch.«
    Unter der Hochstraße
    Das Leben hat soeben genau den langsamen, unerbittlichen Schicksalssalto geschlagen, den Caffery nicht hatte erleben wollen. Er hat sich verschätzt – so sehr verschätzt, dass er es kaum fassen kann. Er hat gedacht, Flea werde wenigstens anerkennen, was es ihn gekostet hat, ihr Geheimnis zu bewahren, auch wenn sie ihn vielleicht nicht gerade mit Dank überschüttet und ihn zu ihrem Helden erklärt. Aber Undank ist nun mal der Welten Lohn. Caffery wird klar, dass er die Dinge aus einer neuen Perspektive betrachten muss.
    Langsam fährt er durch die Straßen von Bristol zurück ins Büro, während die letzten Trinker aus den Pubs nach Hause trotten. Diese Stadt wurde auf dem Sklavenhandel erbaut. All die schmalen Stadthäuser sind mit Geld aus diesem Geschäft bezahlt worden und zeigen ihre Pracht ganz ungehemmt. Caffery ist müde. Er hat Hunger, und er braucht dringend etwas zu trinken. Vor der automatischen Schranke hält er seinen Ausweis an den Scanner und rollt auf den Parkplatz. Der Platz ist fast leer; nur zwei Vans der Spurensicherung und ein paar Autos, die zivilen Mitarbeitern gehören, stehen noch da. Er parkt unter der Hochstraße, mit der Nase zur Brücke, und zieht die Handbremse an. Er will aussteigen, als er spürt, dass er nicht allein hier ist. Da ist noch jemand.
    Es ist Flea. Sie sitzt vier Reihen weiter in ihrem Renault, halb verdeckt von dem grünen Frachtcontainer, der zwischen ein paar Büschen in der Mitte des Parkplatzes steht.
    Er steigt aus und zieht seine Jacke an.

Weitere Kostenlose Bücher