Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
Aufschrift »Büro« und öffnet sie. Noch immer hat ihn niemand aufgehalten. Der Leiter hat einen der Typen aus dem Wohnheim bei sich, aber ein Blick auf Caffery in Anzug und Krawatte genügt, und er beugt sich zu seinem Schützling hinüber und sagt leise: »Können wir später zu Ende reden?«
Der Mann dreht sich zu Caffery um. Seine Bewegungen sind langsam und ein wenig ruckhaft. Sein Blick scheint nichts zu registrieren, dann aber springt er so plötzlich auf, dass er beinahe umkippt.
»Keine Eile, mein Freund«, sagt der Leiter.
Der Mann nickt dreimal und schaut auf seine Füße. Er hebt die Hand zum Schädel, legt sie auf sein Haar und streicht es nach vorn, sodass es flach auf der Stirn klebt. Caffery tritt zur Seite und hält die Tür auf. Der Mann geht schwerfällig hinaus, ohne ihn anzusehen. Caffery wartet, bis er weg ist, bevor er seinen Dienstausweis hervorholt.
»Detective Inspector Jack Caffery.«
»Ja«, sagt der Leiter. »Habe mich schon drauf gefreut, Sie kennenzulernen.« Er muss Ende dreißig sein, aber sein Gesicht hat etwas Kindliches, und dieser Eindruck wird durch seinen kahlen Schädel paradoxerweise noch verstärkt. Das wenige Resthaar hat er kurz rasiert, und das gibt ihm das Aussehen einer alternden Putte. Er trägt einen schwarzen Ohrstecker am rechten Ohrläppchen, und am Mittelfinger der rechten Hand steckt ein Stahlring mit einem keltischen Knotenmuster. An der Wand hinter dem Schreibtisch hängt ein Poster von The Smith’, Glastonbury 1984. Er streckt die Hand aus.
»Bill Hurst.«
Caffery schüttelt ihm die Hand. Kaum lässt er sie wieder los, sieht er, wie Hurst sie hochhebt und in den Nacken legt.
»Ich bin hier, weil ich mit Isaac Handel sprechen möchte.«
»Ja … ja.« Hurst steht unbeholfen auf, kratzt sich im Nacken und weicht Cafferys Blick aus. »Ja, das haben Sie gesagt.«
»Und? Gibt es hier eine Möglichkeit, wo ich unter vier Augen mit ihm plaudern kann?«
»Die Sache ist …«, stottert Hurst betreten. »Also, was Isaac angeht …«
»Ja?«
»Na ja, es ist mir unangenehm.«
»Was ist unangenehm?«
»Er ist quasi nicht hier im Moment.«
»Wie bitte?«
»Nicht hier.«
»Ich dachte mir, dass Sie das gesagt haben. Und wo ist er … quasi?«
»Ääähhh … bin nicht hundertprozentig sicher, um die Wahrheit zu sagen.«
»Als ich angerufen habe, haben Sie gesagt, ich kann mit ihm sprechen.«
»Ja … ich dachte, er wäre inzwischen wieder da. Sie müssen verstehen, dies ist kein geschlossenes Wohnheim. Die Leute sollen hier schlafen, aber tagsüber können sie gehen, wohin sie wollen, solange sie nicht gegen irgendwelche Einschränkungen in ihren Entlassungspapieren verstoßen.«
Caffery braucht einen Moment, um seine Ungeduld zu zügeln. Er zählt im Kopf bis zehn. »Okay. Okay, fangen wir ganz vorne an. Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
Hurst rutscht auf seinem Stuhl hin und her. »Ääähmmm …«
»Kommen Sie, spucken Sie’s schon aus. Heute Morgen?« Hurst antwortet nicht. Er kratzt sich noch heftiger im Nacken. »Mein Gott!« Caffery atmet geräuschvoll aus. »Gestern?«
»Ich glaube ja.«
»Sie glauben ?«
»Das System ist nicht perfekt. Ich habe zu wenig Personal. Heute haben sich zwei Mitarbeiter krankgemeldet. Die Ungewissheit stresst alle … niemand weiß, was die Regierung mit unseren Jobs vorhat.«
»Fantastisch. Ausgezeichnet.« Caffery schüttelt müde den Kopf. Je mehr er sieht, desto weniger begreift er, wieso man Handel in eine so kümmerliche Einrichtung entlassen konnte. »Er muss doch letzte Nacht irgendwo geschlafen haben?«
Hurst zuckt die Achseln.
»Haben Sie ihn als vermisst gemeldet?«
»Heute Morgen. Die Psychiatrische Ambulanz kümmert sich jetzt weiter darum.«
Er kann Caffery immer noch nicht in die Augen sehen. Herrgott, was für ein spektakulärer Trottel.
»Gibt es hier jemanden, mit dem er geredet hat? Jemanden, der mir einen Anhaltspunkt geben könnte?«
»Eigentlich nicht. Handel war so was wie ein Eigenbrötler, nach allem, was ich von ihm mitbekommen habe. Habe nicht gesehen, dass er mit jemandem gesprochen hat. Er hat seinen iPod gehört und ist für sich geblieben.«
»Und war er fügsam?«
»Überwiegend. Ein wenig erregt. Er spielte dauernd ›All Souls’ Day‹ auf seinem iPod. Kennen Sie das Lied?« Er wirft Caffery einen hoffnungsvollen Blick zu. »Ataris? Der beste Punk Pop, der in den letzten Jahrzehnten aus den Staaten gekommen ist?«
Caffery seufzt und schüttelt den Kopf.
»Es ist
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