Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)
sonst gehen sollen?
Es herrschte Schweigen in der Leitung, als wüsste sein Vater nicht genau, wie er darauf reagieren sollte. »Und was ist mit der Mission?«, fragte er schließlich zögernd. »Hast du sie schon erfüllt?«
»Nein, noch nicht«, sagte Zach. »Ich dachte es eigentlich, aber ich glaube, doch nicht.«
»Wir fahren jetzt los und müssten in zweieinhalb Stunden da sein. Glaubst du, dass du es bis dahin geschafft hast?«
»Das weiß ich nicht.«
»Deine Mutter hat sich große Sorgen gemacht. Möchtest du mit ihr sprechen?«
Zach wollte ihr sagen, dass alles in Ordnung war und es ihm gut ging, aber er wollte ihre Stimme nicht hören, weil er dann spüren würde, wie sehr sie sich seinetwegen aufgeregt hatte. »Nein«, sagte er nach kurzem Zögern. »Wir sehen uns, wenn ihr hier seid.«
Sein Vater seufzte schwer. »Weißt du, ich verstehe dich nicht.«
»Das musst du auch nicht.« Zach wollte das Gespräch unbedingt beenden, bevor einer von ihnen etwas Schreckliches sagte.
»Ich möchte es aber«, sagte sein Vater.
Zach schnaubte.
Und wieder schwieg sein Vater lange. »Ich bin nicht gut in so was, aber auch wenn ich nicht immer alles mitbekomme und deine Mutter sagt, ich kann mich nicht ausdrücken, möchte ich dir sagen, dass ich die ganze Zeit darüber nachgedacht habe, was ich mit deinen Spielsachen getan habe. Das war gemein von mir. Ich bin selbst gemein von meinem Vater behandelt worden und ich möchte nicht, dass du auch mit solchen Gemeinheiten aufwächst.«
Zach sagte nichts. Er hatte seinen Vater noch nie so reden hören.
»Als ich dich mit den Actionfiguren gesehen habe, dachte ich, sie würden dich in der Schule damit hänseln. Ich dachte, du müsstest dich abhärten. Aber mir ist klar geworden, wenn man jemanden beschützen will und ihm deswegen wehtut, bevor jemand anderes das tun kann, ist keinem geholfen.«
»Ja«, sagte Zach. Zu mehr war er nicht in der Lage. Er hätte nie gedacht, dass sein Vater sich solche Gedanken machte. Seine eigene Wut war verpufft und er fühlte sich so zerbrechlich wie eine der papierdünnen Porzellantassen.
»Bis gleich«, sagte sein Vater. »Viel Glück mit der Mission.« Er sprach das Wort aus, als kämpfte seine Zunge mit einer sonderbaren unvertrauten Form, doch er sagte es wirklich.
»Tschüss, Dad«, sagte Zach und legte auf.
Er blieb noch einen Augenblick dort sitzen und rang nach Luft. Etwas war ins Wanken geraten, wie bei einem Erdbeben, und er musste sich still verhalten, bis es sich wieder beruhigt hatte. Dann stand er auf und verließ das Büro.
Fünfzehntes Kapitel
Als er herauskam, stellte Miss Katherine in der Nähe des Büros einige Bücher auf den Rollwagen zurück. Ihr pinkfarbenes Haar glänzte wie die Kunststoffmähne eines Spielzeugpferdchens.
»Alles okay?«, fragte sie.
»Sie kommen«, antwortete Zach und verdrängte die seltsamen Worte seines Vaters. »Haben Sie Poppys Puppe gefunden?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe mir den Tisch angesehen, auf dem ihr die Karten ausgebreitet habt, aber mehr war da nicht. Möchtest du vielleicht selbst noch mal nachsehen?«
Zach nickte und folgte ihr zu den Sofas. Jetzt erst bemerkte er ihre Schuhe, die grellgelb und mit Schleifen verziert waren. Sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mit den Bibliothekarinnen, denen er bisher begegnet war. Sie sah überhaupt nicht wie andere Erwachsene aus.
Zach sah unter dem Sofa nach, auf dem die Mädchen geschlafen hatten, und dann unter dem, auf dem er gelegen hatte – schließlich hatte sich die Puppe auch beim letzten Mal morgens in seiner Nähe befunden. Als er in die Hocke ging, erschauerte er bei der Vorstellung, dass sie direkt unter seinem Schlafplatz gelegen hatte, als hätte sie die Porzellanhände ausstrecken und ihn durch die Sofakissen nach unten zerren können. Doch da war sie nicht.
Unter dem Tisch fand er die Königin auch nicht. Sie lag weder auf einem der Stühle noch auf dem Teppich. Er konnte sie nirgends entdecken.
Er spürte sie auch nicht und vermisste das Gefühl, das sie in ihm auslöste, wenn sie ihn mit ihren trüben Augen von irgendwoher beobachtete, so wie damals, als sie noch in der Vitrine in Poppys Wohnzimmer gesessen hatte.
»Was habt ihr Kinder denn eigentlich gesucht?«, fragte die Bibliothekarin und zog die Stirn kraus. Zach merkte, dass Miss Katherine aus der Geschichte mit der Puppe nicht recht schlau wurde. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt glaubte, dass es die Puppe gab. Wenn nicht,
Weitere Kostenlose Bücher