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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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»du wußtest es die ganze Zeit.«
    Mario wollte zu einer Rechtfertigung ansetzen, doch Richard machte eine abwehrende Handbewegung. »Oh, schon gut, ich weiß. Du warst dir ja nie ganz sicher, ob es Hexen gibt oder nicht. Daß sie sich durch ihren Aberglauben in Lebensgefahr begibt, ist nichts neben dem Umstand, daß du endlich die Bestätigung für die Lehren der Kirche hast, nicht wahr?«
    Er wandte sich an Saviya. »Komm mit«, sagte er ausdruckslos, packte sie am Arm und drehte ihn ihr auf den Rücken, so daß sie keine andere Wahl hatte, als ihm zu gehorchen.
    Wolfgang Schmitz, der noch nie erlebt hatte, daß Richard Hand an irgend jemanden gelegt hatte, starrte ihn fassungslos an. Das war der geradezu unheimlich selbstbeherrschte, im Grunde ein wenig langweilige Richard Artzt, der einer anständigen Rauferei ebenso aus dem Weg ging wie dem Rausch, den ein Mann hin und wieder brauchte?
    Kurz bevor sie den Raum verließen, schien sich Richard endlich wieder an den Hausherrn zu erinnern. »Verzeiht, Messer Salviati«, sagte er in einem bloßen Echo auf seine gewohnte Höflichkeit, »wenn wir uns jetzt verabschieden, doch es gibt dringend etwas zu erledigen.«
    Jacobo Salviati blinzelte ein wenig, nickte und schaute den beiden nach. Es blieb dem peinlich berührten Wolfgang Schmitz überlassen, unterstützt von einem erleichterten Balducci, die Situation zu klären, denn auch Fra Mario war keine große Hilfe.
    Bis zu ihrer Ankunft in der Herberge hatte sich die eisige Zurückhaltung auf beiden Seiten zu glühendem Zorn gewandelt. Richard begann noch verhältnismäßig gelassen, als er erklärte: »Du wirst nie – nie wieder irgend jemandem gegenüber behaupten, daß du eine Hexe bist. Falls dir noch nicht klar ist, wie verdammt gefährlich das werden kann, dann stell dir eine Frau vor, der die Knie zerquetscht wurden, die mit Feuer und Eisen gefoltert wurde, immer wieder, stell dir diese Frau dann auf dem Scheiterhaufen vor, und stell dir vor, das wärst du! Das ist meine Prophezeiung für die Zukunft!«
    »Was weißt du schon von Gefahr – Gorgio!« gab Saviya zornig zurück. Ihre Hand zitterte über ihrer Taille, und erst jetzt registrierte er, daß sie dort ihren Dolch trug. »Was weißt du schon davon! Hast ein Leben zwischen Daunendecken und Palästen! Hast du jemals nicht gewußt, wo du am nächsten Tag sein wirst, ob du überhaupt etwas zu essen bekommst, ob du überhaupt noch einen Sonnenaufgang sehen wirst? Du weißt ja noch nicht einmal, was Gefahr ist. Wenn mich irgend jemand anderer so behandelt hätte wie du heute, läge er jetzt schon tot zu meinen Füßen. Ich weiß, wie man kämpft.«
    »Du weißt überhaupt nichts, wenn du dir einbildest, dich mit einem Messer und ein paar abergläubischen Sprüchen gegen die Inquisition schützen zu können!«
    Saviya holte tief Atem, und als sie weitersprach, hatte sie sich in einen Mantel von trügerischer Sanftheit gehüllt, der unter seinem Samt den tödlichen Stahl verbarg.
    »Armer Riccardo. Der Priester hatte recht, du kannst es einfach nicht aushalten, wenn es etwas gibt, was du nicht in deine Welt der Zahlen und Worte einordnen kannst. Du glaubst nicht, daß ich eine Hexe bin, Gorgio? Soll ich dir sagen, was ich von dir weiß? Soll ich dir von deiner Mutter erzählen, die von den Schwarzkutten verbrannt wurde?«
    »Mario hat dir das gesagt!« unterbrach Richard sie wütend. Er mußte sie zum Schweigen bringen; er mußte sie dazu bringen, einzusehen, wie sehr sie sich irrte, damit endlich wieder alles wie vorher war, damit sie sich wieder in das Mädchen zurückverwandelte, mit dem er glücklich gewesen war.
    »Mario, bah!« Etwas veränderte sich in Saviyas Gesicht; es war, als habe sie in diesem Moment etwas begriffen, das ihr vorher verschlossen geblieben war. Sie biß sich auf die Lippen, und ihr Zorn verlor sich ein wenig.
    »Riccardo, kannst du denn nicht begreifen, was ich bin? Es hat nichts mit dem Teufel zu tun, wie ihr Gorgios glaubt. Ein paar von meinem Volk haben diese besondere Gabe, schon immer; jeder von uns kann den Mond singen hören, aber ich kann auch mit den Schatten in der Nacht sprechen, mit Flamme, Wasser, Reisig und den Geistern der Luft, und sie sagen mir die Wahrheit. Deswegen weiß ich, daß du fort mußt aus Florenz, und du wirst gehen. Du hast mein Blut in dir. Du mußt mir vertrauen …«
    Richard erkannte nicht die Möglichkeit zur Versöhnung, die sie ihm bot. Er sah nur, daß sie all das verkörperte, was er als

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