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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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weitere Kissen hinter sich legend, stützte Veronika sich auf. »Ich verstehe nicht«, sagte sie mürrisch, »warum dein Neffe unbedingt zurückkehren mußte und mein Sohn in Venedig gelassen wird, bis die Welschen ihn völlig eingewickelt haben.«
    »Aber, Veronika, daß Hänsle in Venedig bleibt, ist doch ein Vertrauensbeweis von Ulrich und Jakob, auf den du stolz sein kannst. Und Richard kehrt vor allem zurück, um sein Erbe entgegenzunehmen.«
    »Ach ja«, sagte Veronika langsam, »das Erbe.« Sie musterte ihre Schwägerin. Widerwillig gestand sie ein, daß Sybilles übermäßige Schlankheit sich nur zu ihrem Vorteil auswirkte; ihr Gesicht hatte alles Weiche und Kindliche verloren, und was man vorher als den reizvollen Zauber der Jugend abgetan hatte, war jetzt die klare Schönheit einer erwachsenen Frau. Veronika wußte selbst nicht, warum, aber Sybilles Anblick verleitete sie jedesmal dazu, diese Makellosigkeit zerstören zu wollen.
    »Dein Vater muß schon sehr überzeugt davon gewesen sein, daß er von dir keine Enkel mehr zu erwarten hat, um die Hälfte seines Vermögens dem Sohn seines verstoßenen Sohnes zu hinterlassen. Gab es da seinerzeit nicht einen Skandal?«
    Nur die Hände, die bisher ruhig in ihrem Schoß zusammengefaltet gelegen hatten und sich nun zusammenballten, verrieten, daß Sybille sich getroffen fühlte. Ihre gelassene, höfliche Miene blieb unverändert, als sie entgegnete: »Meine Eltern billigten die Heirat meines Bruders damals nicht, doch inzwischen konnten sie sich, wie alle anderen auch, überzeugen, daß Richard der Stolz jeder Familie wäre. Er ist fleißig, klug und war dem Unternehmen in Florenz sehr nützlich.«
    »So scheint es«, stimmte Veronika lauernd zu. Sie hatte ihre eigene Meinung über Richard Artzt – ein hinterlistiger Erbschleicher, genau wie seine Tante –, doch sie hatte nicht die Absicht, sich von einer einmal gefundenen Fährte wieder abbringen zu lassen.
    »Aber du, Schwägerin Sybille … weißt du, ich meine es nur gut mit dir. Eigentlich ist es für jeden offensichtlich, warum du keine Kinder bekommst.«
    Sybille erhob sich von dem Schemel neben Veronikas Bett, auf den sie sich gesetzt hatte. »Ich habe noch sehr viel zu tun, da ich zur Zeit, wie du mich sehr richtig erinnert hast, die alleinige Herrin des Hauses bin. Bitte entschuldige mich, Schwägerin Veronika.«
    »Ulrich und ich haben Kinder, weiß Gott«, fuhr Veronika unbeirrt fort, »Georg und Regina können sich ebenfalls nicht beklagen – jeder Fugger hat immer reichen Nachwuchs gehabt. Trotzdem, ich glaube nicht, daß es an dir liegt.«
    Sybille hatte ihr bereits den Rücken zugewandt, doch der letzte Satz ließ sie innehalten; sie hatte erwartet, daß Veronika ihr wie üblich Vorwürfe machte.
    »Es liegt an Jakob«, sagte Veronika fast schnurrend. »Einen Mann zu heiraten, der einmal ein Mönch war, kann kein Glück bringen – es verstößt gegen die Gebote Gottes und seiner Kirche. Ein derart schuldiger Mann kann keine Kinder haben.«
    Sie wartete, bis Sybille schon auf der Türschwelle stand, bevor sie ihr den letzten Hieb versetzte. »Aber es heißt in Augsburg, daß er es noch nicht einmal versucht. Verzeih, wenn ich das sage, meine Liebe, aber es heißt, das Geheimnis eurer Kinderlosigkeit liege darin, daß er immer ein Mönch geblieben ist.«
    Sybille drehte sich um, und Veronika, die erwartet hatte, Tränen zu sehen, war überrascht und erschrocken über den leidenschaftslosen Haß, der sich auf dem jungen Gesicht von Jakobs Gemahlin zeigte.
    »Veronika«, sagte Sybille leise, und ihre Stimme war seidig wie ein Band, das sie um den Hals ihrer Schwägerin legte und langsam immer fester zog, »du tust mir leid. In deinem ganzen Leben hast du an nichts anderem Freude gefunden als daran, über andere zu lästern wie eine Elster. Wenn du stirbst, dann wird man sich an dich nur erinnern, weil du Kinder hattest, und die hat eine Katze auch. Kannst du mir verraten, was dich überhaupt zu einem Menschen macht?«
    Damit verließ sie die Kammer, und Veronika blieb nichts anderes übrig, als ihr nachzustarren. Eigentlich hätte sie sich als Siegerin in diesem Streit fühlen sollen, doch der Triumph, auf den sie so lange gewartet hatte, wollte sich nicht einstellen. Schließlich stellte sie zu ihrem Entsetzen fest, daß sie weinte.
    Sybille weinte nicht. Statt dessen stürzte sie sich auf ihre Aufgaben im Anwesen am Rindermarkt; sie hatte Veronika nicht belogen, es gab wirklich sehr viel zu tun.

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