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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Aberglauben bekämpfte; daß sie in der Tat den Tod heraufbeschwor, den Tod für sich und Hunderte von unschuldigen Frauen, die sterben mußten, weil es Gläubige wie sie gab.
    »Du wirst dich nie wieder als Hexe bezeichnen«, wiederholte er hartnäckig, »und du wirst mit diesem Unsinn aufhören.«
    Saviyas Arme, die sie ihm entgegengestreckt hatte, sanken herab. Ihre grünen Augen verloren ihren Glanz und wurden grau und kalt wie Flußkiesel.
    »Der Woiwode hatte recht«, sagte sie dumpf. »Wir können nicht mit euch zusammenleben. Was willst du tun, mich einsperren, während du fort bist, wie ihr Stadtmenschen es mit euren Frauen haltet? O nein, Riccardo. Nein.«
    Zu spät erkannte Richard, daß er einen Fehler gemacht hatte, doch er war zu aufgewühlt, um jetzt nachzugeben. »Wenn es nötig ist, um dich vor deiner eigenen Dummheit zu bewahren – ja«, erwiderte er barsch. Saviya zog ihren Dolch, richtete die Klinge jedoch auf sich selbst, nicht auf ihn.
    »Wenn dir an meinem Leben etwas liegt, dann bewege dich nicht«, sagte sie warnend. »Ich weiß, wo mein Herz ist, und ich stoße eher zu, als daß ich mich einsperren lasse.«
    Mit ihrer gewohnten unglaublichen Behendigkeit glitt sie, den Dolch immer gegen ihre Brust gerichtet, zu ihrer Truhe und zerrte einige Beutel heraus, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Erst als sie sich rückwärts zur Tür bewegte, fand Richard seine Sprache wieder.
    »Geh jetzt«, sagte er mit der ganzen anklagenden Verbitterung, die sich in ihm aufgestaut hatte, seit er ihr bei Salviati gegenübergestanden war, »und wir werden uns nie mehr wiedersehen. Ich werde dich nicht noch einmal suchen, Saviya, und wenn du über diese Schwelle dort gehst, dann ist es mir gleich, was aus dir wird.«
    Sie antwortete nicht, bis er nur noch ihre Schritte vernahm. Dann hörte er sie leise sagen, so leise, daß er sie kaum verstand: »Gut.«
    Unter anderen Umständen hätte Anton Eberding es genossen, dem allzu selbstsicheren und allzu vollkommenen Richard Artzt berechtigte Vorwürfe zu machen, denn Salviati war schließlich ein wichtiger Partner, den man nicht brüskieren durfte, doch die Neuigkeiten aus Augsburg ließen seinen Groll hinfällig werden.
    »Herr Fugger hat uns einen Eilboten gesandt«, sagte er, nachdem Richard seinen Rechenschaftsbericht über den Besuch in Ferrara beendet hatte, und bemühte sich, nicht allzu gutgelaunt zu wirken. »Schon wieder?« fragte Richard teilnahmslos. Eberding trommelte mit den Fingern auf seinem Schreibtisch.
    »Ja, in der Tat, schon wieder. Familiennachrichten, die Euch betreffen, und … aber seht selbst.«
    Er drückte ihm zwei Briefe in die Hand. Der eine stammte von Jakob, war unverschlüsselt und bestand nur aus einem Satz; der andere war über und über mit Sybilles hohen, geschwungenen Schriftzügen bedeckt.
    »Man darf Euch wohl Glück wünschen … oder ist Euch Beileid lieber?« kommentierte Eberding, während Richard Sybilles Brief überflog. Der Leiter des Fondaco war enttäuscht, als sich Richards Miene nicht veränderte, denn man hatte ihn in einem Begleitbrief über die Neuigkeiten informiert. Der Vater der Frau Fugger, Wilhelm Artzt, war gestorben und hatte neben dem Anteil für seine Frau und Tochter auch einen erheblichen Teil seines Vermögens an den Enkel vererbt.
    »Nun«, sagte Richard, immer noch ohne erkennbare Empfindung, ließ den Brief seiner Tante sinken und schaute wieder auf das kurze Schreiben von Jakob, »das heißt wohl, daß ich mich dem nächsten Zug über die Alpen anschließen werde. Ich nehme an, Ihr gebt mir noch die Zeit, vorher den Transport der Waren nach Ferrara zu regeln?«
    »Selbstverständlich«, gab Eberding zurück und fühlte sich einmal mehr in seiner ursprünglichen Einschätzung von Richard Artzt bestätigt: Der Junge mußte Fischblut in den Adern haben. Allerdings konnte man auch nicht behaupten, daß Jakob Fugger in dieser Angelegenheit viele Worte verschwendet hatte. Eberding hatte es sich nicht versagen können, einen Blick auf den Brief an Richard zu werfen. Dort standen, unterzeichnet mit seinem Namen und geschrieben in der italienischen Schmuckschrift, die Jakob Fugger sich in seinen Jahren in Venedig angeeignet hatte, nur zwei Worte: »Komm zurück.«

IV
Feuer der Eitelkeiten
    29
    D UNKELHEIT HING NOCH IN der Kammer, als Sybille Fugger spürte, wie sich ihr Mann erhob und sich fast geräuschlos ankleidete. Jakob begann seinen Tag gewöhnlich mit der Dämmerung, und meistens bemühte er sich

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