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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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neuesten Familienklatsch, während sie ihn an den Tisch zog, und überhäufte ihn mit Fragen nach Italien. Erst später fiel ihm ein, daß Sybille etwas von ›Ursulas Liebeskummer‹ erwähnt hatte, und es kam Richard in den Sinn, daß für Ursula ihre übersprudelnde Fröhlichkeit vielleicht nur das war, was für ihn seine eigene Zurückhaltung bedeutete – ein guter Deckmantel.
    Dennoch verwirrte sie ihn. Er fragte sich, ob es wohl ein rein Weibliches Geheimnis war, das die Frauen in die Lage versetzte, sich binnen kurzer Zeit so schnell zu verwandeln, und das Bild von Saviyas kindlichem Körper, wie er sie zuerst im Schnee gefunden hatte, tauchte in ihm auf. Ärgerlich drängte er es zurück. Er wollte nicht an Saviya denken, und ganz besonders nicht im Zusammenhang mit Ursula.
    In den deutschen Landen war der Sommer schon sehr bald in einen kühlen Herbst übergegangen, und als Richard sich nach Aufhebung der Tafel zu Sybille gesellte, stellte er fest, daß er das wärmende Kaminfeuer als angenehm empfand. Seine Jahre in Florenz hatten ihn einen kühlen, feuchten Herbst vergessen lassen. Sybille kam ziemlich bald auf das zu sprechen, was sie schon lange bewegte.
    »Richard, ich werde morgen meine Mutter besuchen, und ich würde mich freuen, wenn du mich begleitest. Gewiß, sie wird ohnehin bald hier wohnen, wenn die Auflösung ihres Haushalts geregelt ist, aber …«
    Er verstand, was sie sagen wollte, doch er fand es unerwartet schwer, ihr die gewünschte Antwort zu geben. Als er von seiner unerwarteten Erbschaft las, hatte er aus einem ersten Impuls das Geld zurückweisen wollen; die Familie hatte von seiner Mutter nichts wissen wollen, und er war nicht auf ihre Almosen angewiesen. Dann hatte ihm der gesunde Menschenverstand die Vorteile eines solchen Erbes gezeigt; dazu kam die überraschend starke Sehnsucht, Augsburg, Sybille und Jakob wiederzusehen. Dabei war ihm klar gewesen, daß einige Höflichkeitsbesuche bei der alten Frau, die er nicht als seine Großmutter betrachten konnte, unumgänglich waren. Doch um was Sybille ihn bat, wenn sie es auch nicht direkt aussprach, war mehr als hohle Freundlichkeit, war verwandtschaftliche Wärme.
    Ursula erlöste ihn von der Notwendigkeit, sofort zu antworten, als sie sich auf einen Fußschemel neben Sybille setzte und neckend zu Richard sagte: »Also weißt du, wenn ich daran denke, daß du uns jahrelang eine so wunderbare Geschichte verheimlicht hast – fast jeder in Augsburg wußte eher als wir, daß wir den verstoßenen Sohn beherbergten, dessen Mutter eine sarazenische Prinzessin war. Die Leute sprechen im Moment von nichts anderem.«
    »Eben darum haben Richard und ich uns darauf geeinigt, nichts zu erzählen«, meinte Sybille trocken. »Nicht jeder ist gerne der Gesprächsstoff der Stadtklatschbasen.«
    Ursula war nicht im geringsten verlegen, doch Richard, der gerade etwas Wasser getrunken hatte, verschluckte sich und fing an zu husten.
    »Entschuldige«, brachte er schließlich hervor, »aber das erinnert mich an ein florentinisches Sprichwort: ›Das einzige, was schlimmer ist, als Gegenstand aller Gespräche zu sein, ist, wenn überhaupt nicht über einen geredet wird.‹«
    »Eben«, meinte Ursula zufrieden. »Nun sag schon, Tante Sybille, wie war das damals mit deinem Bruder und Richards Mutter? Ich stelle es mir wie in einem Lied vor.«
    Ein Schatten zog über Sybilles Gesicht. »So habe ich es mir auch vorgestellt, aber das hatte wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Meine Eltern«, dabei schaute sie Richard direkt an, »haben ihren Sohn geliebt, doch sie waren sehr stolz, und seine Heirat brach ihnen das Herz. Es war falsch von ihnen, Markus zu verstoßen, doch ich finde, man sollte es ihnen verzeihen.«
    »Bestimmt sollte man das«, sagte Ursula und fügte nicht ganz überzeugend heiter hinzu: »Ich verzeihe meinen Eltern auch andauernd – sogar das mit Philipp.«
    Aber, dachte Richard, niemand hätte es je gewagt, Zobeida Artzt als Hexe anzuzeigen, wenn sie in Augsburg als geachtetes Mitglied einer so mächtigen Familie gelebt hätte – oder doch? Mario hatte ihm Beispiele genannt, wo die Inquisition auch vor den Mächtigen nicht haltgemacht hatte. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß Mario eigentlich von Anfang an, noch bevor sie sich gemeinsam auf die Suche nach einschlägigen Werken gedacht hatten, ausnehmend gut über alles informiert gewesen war, was mit Hexen zusammenhing, so als hätte er sich selbst schon lange damit beschäftigt.
    Doch das

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