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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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spielte jetzt eigentlich keine Rolle mehr. Sybille blickte ihn erwartungsvoll an, und in Richard keimte mit einem Mal Beschämung. Dies war das erste Mal, daß er etwas für seine Tante, die ihn nie wie einen lästigen armen Verwandten behandelt hatte, tun konnte, und er benahm sich, als verlange sie ein ungeheures Opfer von ihm.
    »Ich werde Euch sehr gerne morgen begleiten – zu meiner Großmutter«, versprach er.

30
    D IE W OCHEN GINGEN schnell ins Land, und Richard hatte sich mehr und mehr wieder in den Lebensrhythmus der Familie und des Unternehmens eingefunden. Er versuchte weiterhin, einen Drucker zu finden. Doch er mußte feststellen, daß keiner von ihnen dazu zu bewegen war, ein Buch dieses Inhalts zu verlegen.
    Bei einer Schachpartie mit Jakob entschloß er sich schließlich, seinen Stolz hinunterzuschlucken und den einflußreichsten Mann der Stadt um Unterstützung zu bitten. Das Buch war wichtiger als persönliche Eitelkeiten, und er konnte sich nicht vorstellen, daß der Drucker auf Jakobs direkte Anweisung hin immer noch nein sagte. Die Schwierigkeit lag darin, Jakob überhaupt für ein derartiges Werk zu interessieren.
    Die Gelegenheit bot sich, als Jakob ihn fragte, ob er sich schon entschieden hätte, was er mit seinem neuen Vermögen anfangen würde.
    »Den größten Teil werde ich zweifellos bei einem schwäbischen Kaufmann anlegen«, erwiderte Richard und schlug mit seinem Läufer einen von Jakobs Bauern, der seinen Turm gefährdete. »Man sagte mir, sein Unternehmen habe Zukunft.«
    Ein winziges Lächeln verriet, daß Jakob das sarkastische Kompliment durchaus zu würdigen verstand, doch seine Stimme blieb gleichmütig. »Und der Rest?«
    »Ich habe ein Buch geschrieben, das ich gerne drucken lassen würde«, sagte Richard und überlegte, ob er es sich leisten konnte, seinen König ein Feld weiter zu bewegen, um so der möglichen Bedrohung durch Jakobs Dame auszuweichen, oder ob ihn ein derartiges Manöver verwundbar für einen Angriff von Jakobs Läufer machte. »Und außerdem werde ich nicht ewig in Augsburg bleiben.«
    »In der Tat.« Jakob musterte nachdenklich den elfenbeinernen Pferdekopf, den er in der Hand hielt. »Ich dachte mir schon, daß du deine Reisen wieder aufnehmen willst. Wenn ich dir einen Ratschlag geben darf – es würde sich empfehlen, dein Buch über die Hexenprozesse erst kurz vor deiner Abreise drucken zu lassen.«
    Mit diesen Worten schlug er einen von Richards Türmen. Ärgerlich sagte Richard: »Gibt es etwas, das Ihr nicht wißt?« Gleich darauf hätte er sich auf die Zunge beißen mögen. Durch die Frage hatte er sich eine Blöße gegeben.
    »Nicht sehr viel«, entgegnete Jakob ungerührt, »und nicht, wenn schon einen Tag nach deiner Ankunft ein völlig verängstigter Drucker bei mir auftaucht und um meinen Rat bittet. Nicht, daß ich überrascht gewesen wäre.«
    »Wärt Ihr bereit, dafür zu sorgen, daß dieses Buch gedruckt wird?« fragte Richard direkt. Jakob verblüffte ihn durch eine ebenso direkte Antwort.
    »Wenn es anonym erscheint. Das wird zwar nur eine Zeitlang etwas nützen, aber ich war schon öfter in der Lage, Ablässe für derartige Vergehen zu erwirken. Allerdings nur, wenn der Betreffende sich außer Landes aufhält.«
    »Und wohin«, erkundigte sich Richard, der versuchte, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen, »werde ich reisen?«
    Jakob ließ sich mit der Antwort Zeit, und Richard, der auf das Schachbrett blickte, stellte resignierend fest, daß er wieder einmal verlieren würde.
    »Nach den guten Erfahrungen, die du in Italien gemacht hast«, entgegnete Jakob schließlich, »würde ich annehmen, das du dorthin zurückkehrst.«
    »Nach Florenz? Aber warum habt Ihr dann …«
    »Nicht nach Florenz. Es tut mir leid, aber die Stellung des Fondacos dort, unsere Verbindungen zu den Zünften, das hängt alles zum größten Teil von Lorenzo de'Medici ab, und wenn er stirbt, dann sehe ich keine Zukunft für unseren Handel, solange dieser Mönch sich dort aufhält. In der Zwischenzeit kann Schmitz nach deinen Anweisungen weiterarbeiten.«
    »Ihr haltet Fra Savonarola nicht für ein zeitweiliges Phänomen?« fragte Richard und starrte grübelnd auf seinen bedrängten König.
    »Doch. Nur dauert mir die Zeit, die er weilen wird, zu lange, um dadurch mein Geld in Gefahr zu bringen.«
    Ursula war zu alt, um noch alleine auf die Jahrmärkte gehen zu können, und als sie Richard um seine Begleitung bat, willigte er gerne ein. Der Wind wehte

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