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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ihnen buntes Laub entgegen, und als sich ein Blatt in Ursulas Haar verfing, blieb sie stehen, und er löste es vorsichtig aus den widerspenstigen Locken.
    »Dabei wäre es kaum aufgefallen«, sagte er mit einem Augenzwinkern, »schließlich hat es dieselbe Farbe wie deine Haare.«
    Ursula lachte und versetzte ihm wie früher spielerisch einen Rippenstoß. Er ertappte sich bei dem Gedanken, daß es schade war, daß seine Mutter nur ein Kind zur Welt gebracht hatte. Er hätte gern eine Schwester wie sie gehabt.
    »Du weißt nicht, wie froh ich bin, etwas aus dem Haus zu kommen«, sagte Ursula, ernst geworden. »Ich glaube, Mama denkt, wenn sie mich damit beauftragt, auf den kleinen Hieronymus aufzupassen, dann fällt es nicht so auf, daß sie als Großmutter noch einmal Mutter geworden ist – habe ich dir schon von Annas Kleinem erzählt? Jedenfalls, sie hat mir das Kind aufgehalst, aber ich denke nicht dran, ständig auf den kleinen Schreihals aufzupassen. Und wenn ich Papa nur sehe, muß ich mich zusammennehmen. Er war einfach abscheulich zu Philipp.«
    Sie schlenderten an den Buden vorbei, die allerlei Tand verkauften, den Richard auf den ersten Blick als unecht erkannte; dennoch fehlte es den Verkäufern nicht an gutgläubigen Abnehmern.
    »Was ist überhaupt geschehen?« erkundigte er sich. »Seit Wochen höre ich nur Andeutungen.«
    Ursula zuckte mit den Schultern und meinte etwas zu unbekümmert: »Ach, Philipp hat endlich um meine Hand angehalten, aber Papa hat inzwischen einen Grafen von Eck im Auge, und eine solche Partie ist natürlich bedeutender als ein Freiherr von Stain. Also hat er Philipp gesagt, ein Ulrich Fugger von der Lilie würde seine behütete Tochter niemals dem leichtsinnigsten Verschwender von ganz Schwaben geben. Es hat ihm nicht genügt, Philipp abzuweisen, nein, er mußte ihn mit seiner Antwort auch noch beleidigen, und jetzt hat er mich schon seit Wochen nicht mehr besucht oder mir geschrieben – Philipp, meine ich.«
    Richard berührte tröstend ihre Hand. »Vielleicht überlegt dein Vater es sich noch anders.«
    »Selbst wenn er es tut«, sagte Ursula ärgerlich, »ich bin genauso wütend auf Philipp. Er verhält sich, als ob ich ihn beleidigt hätte. Aber reden wir nicht mehr darüber. Schau mal, Richard«, damit wies sie auf einen Winkel des Jahrmarktes, »da ist eine Zigeunertruppe! Oh, ich habe noch nie Zigeuner gesehen. Komm schon!«
    Da ihm kein einleuchtender Grund einfiel, um abzulehnen, folgte er ihr. Es waren nur drei Zigeuner, die mit Fackeln jonglierten, und einen Moment lang war er so enttäuscht, als habe er wider alle Vernunft gehofft, Saviya auf diese Weise wiederzufinden. Die flammenden Stöcke, die durch die Luft glitten, erinnerten ihn an Saviya, und er hatte Mühe, gelassen neben Ursula auszuharren, bis sie genügend gesehen hatte und zu einem anderen Stand wanderte.
    Aber auf dem Rückweg zeigte sich, daß er Ursulas Einfühlungsvermögen unterschätzt hatte. »Was war mit den Zigeunern, Richard?« fragte sie prüfend und ließ sich auch durch einige schnell vorgebrachte Ausreden nicht ablenken. Schließlich gab er nach.
    »In Italien … kannte ich eine Zigeunerin«, sagte er ziemlich unwillig. Ursula zog eine Grimasse.
    »Das dachte ich mir. Die Anzeichen sind unverkennbar. Oh, Richard, wir sollten uns zusammentun und ein Buch schreiben über die Schwierigkeiten, von der Liebe geheilt zu werden.«
    »Das gibt es schon – Ovids ›Remedia‹«, antwortete er automatisch, und das Mädchen an seiner Seite kicherte. »Richard, das wandelnde Bücherwissen und der Schrecken aller Scholaren. Weißt du, Hänsle hat einmal behauptet, selbst wenn man sich über Rinderbraten unterhielte, fiele dir bestimmt noch etwas ein, das du darüber gelesen hast.«
    Er konnte nicht widerstehen. »Plinius, De rerum naturae, glaube ich«, sagte er verschmitzt, und Ursula brach in Gelächter aus.
    Wieder ruhig geworden, umarmte sie ihn. »Ganz im Ernst, Richard«, flüsterte sie, »es tut mir leid.«
    Inzwischen standen sie kurz vor dem Anwesen am Rindermarkt, und Veronika Fugger, die gerade dabei war, in Begleitung ihres Gemahls zur Abendmesse zu gehen, sah zu ihrem Entsetzen ihre Tochter in den Armen des Erbschleichers Richard Artzt liegen.
    »Ursula!« rief sie scharf. »Ursula! Komm sofort hierher!«
    Ursula sah aus, als hätte sie gute Lust, sich zu weigern, doch die elterliche Gewalt war stärker, und sie gehorchte, nicht ahnend, daß Richard fast erleichtert darüber war. Zum

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