Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
geeignet für die Augsburger Nachrichten.«
    Nun sag es schon, dachte Richard. Aber Jakob wechselte plötzlich das Thema. »Ich nehme an«, bemerkte er beiläufig, »du bist dir der Jahreszahl bewußt.«
    »Der Jahreszahl?«
    »Wir nähern uns der Jahrhundertwende«, sagte Jakob und beließ es dabei. Richard war klar, daß er schon wieder einer von Jakobs kleinen Prüfungen unterzogen wurde. Er hatte soeben einen Hinweis bekommen, aber er verstand ihn nicht. Die Jahrhundertwende? Sie war noch mehr als acht Jahre entfernt.
    »Wie ich schon sagte«, meinte Jakob abschließend, »ich bin froh über deine Rückkehr. In Augsburg mangelt es entschieden an Leuten, die das Schachspiel beherrschen.«
    Damit war er entlassen, und Richard erhob sich. Der Teufel soll ihn holen, dachte er aufgebracht. Jahrhundertwende? Eines Tages werde ich ihn im Schach besiegen, und dann werden wir sehen, wie er damit fertig wird. Wir werden sehen.
    Doch so sehr er sich bemühte, es zu leugnen – auch er war froh über seine Rückkehr.
    Sybille hatte ihm sein altes Zimmer herrichten lassen, und es verwunderte ihn, daß es im Gegensatz zu früher fast nicht genügend Raum für seine Habseligkeiten zu bieten schien. Er hatte nicht geglaubt, soviel Gepäck mitgebracht zu haben.
    Auf einmal hielt er Saviyas Goldreif und ihre Haarlocke in den Händen, und der zornige Schmerz, den er so lange zurückgedrängt hatte, überfiel ihn mit einer beinahe körperlichen Intensität. Sie hatte ihre Wahl getroffen, stellte er erbittert fest und versuchte sich Saviya nur vorzustellen, wie er sie zuletzt gesehen hatte, nicht als die Frau, die er in den Armen gehalten, das Kind, dem er das Leben gerettet hatte. Es ist mir gleich, dachte Richard. Sie ist mir gleich.
    Dennoch brachte er es nicht fertig, das wenige, das er von ihr hatte, wegzuwerfen oder zu verbrennen. Er verstaute beides wieder sorgfältig in der kleinen Schatulle, die er seit Wandlingen mit sich führte, und holte etwas anderes hervor, ein weiteres Bündel von Erinnerungen: das Buch über die Hexenprozesse, das er mit Marios Hilfe erst kurz vor ihrer Reise nach Ferrara beendet hatte.
    Seit ihrem verhängnisvollen Besuch bei Salviati hatte er nicht mehr mit Mario gesprochen. Das Manuskript hatte ihm der Mönch durch einen Boten aus Santo Spirito schicken lassen, wo es durch Marios Hand die letzten Korrekturen erfahren hatte.
    Daß Mario ihm nichts von Saviyas Schattenleben erzählt hatte, war ihm zuerst als ein unverzeihlicher Verrat erschienen. Später wäre Richard zwar bereit gewesen, sich Marios Gründe anzuhören, doch er konnte sich nicht dazu überwinden, den ersten Schritt zu tun. Warum hatte Mario nicht versucht, ihm alles zu erklären, brieflich oder mündlich? Sein Schweigen wirkte wie ein Schuldbekenntnis oder wie ein Vorwurf, und beide Möglichkeiten riefen in Richard nur neue Feindseligkeit wach.
    Doch er hatte das Manuskript nicht der Erinnerungen wegen über die Alpen gebracht. Nachdem er sich in seinem Zimmer eingerichtet hatte, machte er sich auf den Weg zu dem Drucker, der regelmäßig für Jakob arbeitete.
    Seit Gutenbergs bewegliche Lettern jedermann zugänglich waren, blühte das Geschäft mit kurzen Schriften, Pamphleten und Aufrufen, die häufig nur aus einer Seite bestanden und für alle erschwinglich waren, doch Jakob Fugger war der erste gewesen, der auf die Idee kam, mit Neuigkeiten, auf deren Geheimhaltung er keinen Wert mehr legte, auch Geld zu verdienen. Damit hatte er sich den Drucker, einen biederen Schwaben, der vorher hauptsächlich an allegorischen Holzschnitten und Predigten verdient hatte, auf ewig verpflichtet, und der Meister hatte seine Werkstatt nicht zufällig in der Nähe des Rindermarktes eingerichtet. Viele Neugierige umlagerten regelmäßig die Druckerei, doch deren Besitzer lieferte all seine Erzeugnisse zuerst an das Unternehmen, das ihn schließlich auch mit den Nachrichten versorgte.
    Richard hatte keine Schwierigkeiten, die Druckerei, an die er sich noch gut erinnerte, zu finden; der Drucker erkannte ihn nach einigen einleitenden Worten sogar wieder.
    »Ei der Daus, wenn das nicht der Neffe der Frau Fugger ist, der hier immer herumgelungert hat! Hört, junger Mann, Ihr seid zur Zeit wirklich das Stadtgespräch von Augsburg, wißt Ihr das? Niemand wäre auch nur im Traum darauf gekommen, daß der alte Wilhelm … Nichts für ungut. Es war eben eine Überraschung. Was führt Euch denn hierher?«
    »Ich habe ein Buch geschrieben«, begann Richard,

Weitere Kostenlose Bücher