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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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heiraten dürfen. Sie benimmt sich wie ein kleines Mädchen, das an den Zöpfen gezogen wurde.«
    »Teuerste Veronika, du irrst dich«, entgegnete ihr Schwager freundlich. »Ich wollte nicht über Sybille mit dir sprechen, sondern über deinen Sohn Hans Ulrich.«
    »Hänsle?« fragte sie verwirrt. »Was ist mit ihm?«
    »Dein Sohn Hans Ulrich«, fuhr Jakob fort, als habe er ihre Frage nicht gehört, und schon allein der Umstand, daß er Hänsles vollen Namen verwendete, bereitete ihr Unbehagen, »scheint bedauerlicherweise der Ansicht zu sein, sein Aufenthalt in Venedig diene weniger dem Unternehmen als dem Zweck, ein möglichst angenehmes Leben zu führen. Hat dich sein Vater je über die Summen informiert, die er für Bestechung, Frauen, Feste und Kleider aufwendet?«
    Veronika zerknäulte die Bettdecke unter ihren Fingern. Plötzlich wurde ihr bewußt, daß es eigentlich höchst unziemlich von Jakob war, sie unter den gegebenen Umständen zu besuchen; krank oder nicht, eine bettlägrige Frau ihres Standes durfte außer von ihrem Gemahl nur von Frauen gesehen werden. Doch nichts in Jakobs regloser Miene ließ darauf schließen, daß er auch nur einen Gedanken an ihre peinliche Lage verschwendete.
    »Das«, gab sie erbost zurück, »liegt nur an den Welschen. Stimmt es nicht, daß man mit ihnen nur Geschäfte machen kann, wenn man sie fürstlich bewirtet?«
    Jakob lehnte sich gegen die Tür des Schlafgemachs. »Das ist, wie so vieles, eine Frage der Verhältnisse. Die Einnahmen müssen die Ausgaben rechtfertigen. Leider rechtfertigen die Einnahmen, die das Unternehmen deinem Sohn verdankt, überhaupt nichts, und inzwischen hat er reichlich Zeit gehabt, sich den örtlichen Gepflogenheiten anzupassen. Es könnte sein, daß wir ihn eher als geplant aus Venedig zurückholen müssen. Es könnte sein, daß wir ihn nie wieder innerhalb des Unternehmens beschäftigen werden. Und da seine Brüder ihm nachzueifern scheinen, könnte es auch sein, daß keiner deiner Söhne je in Augsburg etwas darstellen … oder erben wird.«
    Obwohl es nicht kalt im Zimmer war und eine Magd ihr erst vor einer halben Stunde eine Bettpfanne gebracht hatte, fröstelte Veronika. Insgeheim häufte sie Flüche auf das Haupt ihres Ehemannes. Warum hatte er sich nur von Georg beschwatzen lassen und Jakob aus Herrieden zurückgeholt? Warum hatte er seinen jüngsten Bruder nicht als Mönch dort vermodern lassen, wo er nie jemandem hätte gefährlich werden können? Er hat uns den Teufel ins Haus geholt, dachte Veronika und widerstand dem Drang, sich zu bekreuzigen, Gott helfe uns.
    Die Worte, die sie schließlich hervorbrachte, kamen nur noch als ein leises Krächzen über ihre Lippen. »Was willst du?«
    »Höflichkeit, Veronika«, sagte Jakob und beobachtete sie wie die Katze die Maus, »nur etwas Höflichkeit.«
    Er brauchte nicht mehr zu sagen. Veronika senkte ihr Haupt und wünschte sich, nie etwas von den Gebrüdern Fugger gehört zu haben. Schließlich hätte sie einen Welser heiraten können. Zumindest bestand einmal die Aussicht darauf.
    »Ich verspreche es«, flüsterte sie. Jakob blieb gerade lange genug, um sie das Ausmaß ihrer Abhängigkeit von ihm fühlen zu lassen, dann verabschiedete er sich mit besten Wünschen für ihre Gesundheit und ging. Ihr war wieder kalt, und sie rief nach ihrer Magd, um eine weitere Bettpfanne zu bekommen.
    Abgesehen von Veronika waren alle in Augsburg lebenden Fugger vollzählig beim Abendmahl versammelt; Richard wollte sich gerade einen Platz suchen, als ein hübsches rothaariges Mädchen, das ihm vage vertraut vorkam, aufsprang und ihm um den Hals fiel. »Richard, du meine Güte! Warum hast du Hänsle nicht mitgebracht? Oder ist er inzwischen zu venezianisch für uns geworden?«
    »Ursula?« fragte er, immer noch leicht verwundert, um dann wesentlich begeisterter fortzufahren: »Wo sind deine Sommersprossen geblieben? Du siehst aus wie eine Hofdame, weißt du das? Aber es ist schön, dich wiederzusehen.«
    »Das will ich hoffen«, lachte sie.
    Er hatte Hänsles zweite Schwester immer gerne gemocht und konnte sich nicht erklären, daß er sie nicht sofort erkannt hatte. Allerdings hatte sie sich in der Tat verändert. Sie war von einem Kind zu einer jungen Frau geworden. Plötzlich wurde er sich bewußt, daß er sie noch immer in den Armen hielt, spürte den leichten Druck ihrer Brüste und die Wärme ihrer Haut. Abrupt ließ er sie los.
    Ursula schien nichts zu bemerken; sie erzählte ihm atemlos den

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