Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
erlangen.«
    Er blickte Richard durchdringend an: »Du solltest das am besten wissen, nicht wahr? Wie auch immer, wenn das Unternehmen sich am Verkauf von Ablässen beteiligt, bietet es Glück und Hoffnung gegen Geld, für die meisten Leute eine realere Ware als der Tand, für den sie oft Unsummen auf Jahrmärkten bezahlen.«
    Beim Klang der aufschlagenden Dame, die Jakob achtlos auf den Tisch fallen ließ, zuckte Richard zusammen. Er wollte protestieren, entschied sich dann aber zu warten, bis Jakob seine Ausführungen beendet hatte. Hatte ihm Jakob nicht selbst einmal gesagt, wer protestiere, statt darzulegen, sei schon in der schwächeren Position?
    »Und nun kommen wir zu dir. Ich habe keineswegs vor, dich als Vermittler von Pfründen, Ablässen oder Reliquien einzusetzen. Das macht Johannes Zink, und du wärest dafür auch gar nicht geeignet.«
    »Warum nicht?« Obwohl es absurd war, fühlte sich Richard durch die Unterstellung, er sei für einen Ablaßhändler nicht kompetent genug, brüskiert. Er entschied, sich nun vor allem auf das Spiel zu konzentrieren und zu versuchen, Jakob mit seinem Läufer und dem verbliebenen Springer anzugreifen.
    »Ablässe«, sagte Jakob, der Richards widerstreitende Gefühle sehr wohl durchschaute, »sind nach Gesichtspunkten der Ästhetik betrachtet kaum sehr reizvoll. Du kannst nur handeln, wo du dich begeisterst, und du kannst dich nur begeistern, wo du liebst. Und ich kann mir nicht vorstellen, daß du dich in einen Haufen kirchlicher Dokumente verlieben könntest.«
    Da er eine Chance für einen seiner Bauern erkannte, entschloß sich Richard, im Gespräch etwas nachzugeben, um Jakobs Aufmerksamkeit vom Schach abzulenken.
    »Ich sage nicht, daß ich gehe – aber was soll ich denn dann in Rom für Euch tun?«
    »Was du auch in Florenz getan hast.«
    »Genau das?«
    »Genau das.«
    »Unmöglich«, entgegnete Richard und achtete darauf, während der folgenden Züge nicht zu schnell zu sprechen, damit die Absicht, abzulenken, nicht allzu deutlich wurde. »Zunächst einmal kenne ich dort niemanden. In Florenz bin ich durch einen Glücksfall in der Lage gewesen, zu den Medici und den übrigen wichtigen Familien Zugang zu finden, aber so etwas wiederholt sich nicht.«
    »Ich glaube«, meinte Jakob gedehnt, »du unterschätzt dich. Du hast ein Talent, nützliche Bekanntschaften zu machen.«
    »Aber ich habe kein Talent zur Bestechung in wirklich wichtigen Fällen, und das ist doch sicher in Rom unumgänglich.«
    Diesmal mußte Richard darauf achten, nicht selbst von der Falle, die er aufbaute, abgelenkt zu werden, denn die Trauer, die ihn plötzlich überfiel, war unvermutet heftig.
    »Ich meine nicht alltägliche Gefälligkeiten, sondern gefährliche Auskünfte. Das einzige Mal, als ich so etwas versuchte, starb dabei jemand durch meine Schuld.«
    Der Tag, an dem Lauretta sich umgebracht hatte, lag nun schon mehr als zwei Jahre zurück, aber das Bild des Massengrabs außerhalb der Stadtmauern stand in unverminderter Deutlichkeit vor Richard, und er preßte die Lippen zusammen.
    »Dann sorge dafür«, entgegnete Jakob unbeeindruckt, »daß so etwas nicht mehr geschieht.«
    »Schach«, stieß Richard etwas benommen hervor. Es war ihm gelungen, den weißen König einzukreisen, ohne daß Jakob eine entsprechende Gegenwehr aufgebaut hatte. Er konnte es selbst kaum fassen, aber da stand sein Läufer, da sein Springer und dort Jakobs König. Zum ersten Mal während des Spiels gestattete er sich, Jakob direkt anzusehen, und wurde mit einem winzigen Aufflackern der Verblüffung belohnt. Gleich darauf schaute Jakob jedoch so merkwürdig zufrieden drein, daß Richard sofort wieder auf der Hut war.
    »Ehe ich es vergesse«, meinte Jakob lächelnd, »es gibt natürlich noch einen weiteren Grund, warum du nach Rom gehen solltest. Als redlicher Kaufmann kann ich nicht zulassen, daß jemand Ablässe fälscht, und mir ist zu Ohren gekommen, daß ein hoher Würdenträger der Kirche genau das tut.«
    Richard zuckte die Achseln. »Das beeinträchtigt selbstverständlich Euer Geschäft, aber inwiefern betrifft das mich?«
    Jakob legte seinen König um, zum Zeichen, daß er sich geschlagen gab. »Es ist mein Weihnachtsgeschenk für dich. Der Name des Mannes lautet Heinrich Institoris. Ich glaube, du kennst ihn?«
    Er stand auf, und Richard, der ihn anstarrte, ohne ihn wirklich wahrzunehmen, spürte flüchtig, wie er ihm die Hand auf die Schulter legte. »Es freut mich wirklich, daß du das Spiel

Weitere Kostenlose Bücher