Die Puppenspieler
her, letztendlich lag die Entscheidung bei Ulrich, und es war sehr gut möglich, daß Ulrich ihn nicht mehr als mittellosen Habenichts sah, sondern als begüterten Freier, der seine Nützlichkeit für das Unternehmen bewiesen hatte.
Es war möglich, daß Ursula ihn gerne heiraten würde, trotz ihres Philipp von Stain. Wie Sybille richtig bemerkt hatte, mochten sie einander, und er hatte mitnichten vergessen, wie er sie noch vor ein paar Wochen begehrt hatte.
Was Sybille ihm vorschlug, schloß er einigermaßen fassungslos, war nicht mehr und nicht weniger als die endgültige Aufnahme in die einzige Familie, die er je kennengelernt hatte. Als Ulrichs Schwiegersohn hätte er sogar eine vage Aussicht auf die Leitung des Unternehmens, ganz gewiß ebenso oder sogar eher als der sorglose Hänsle in Venedig. Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine goldene Zukunft, dargeboten in Gestalt eines begehrenswerten jungen Mädchens. Daß er Ursula nicht liebte, spielte dabei kaum eine Rolle.
Aber in allen Fasern seines Wesens spürte er, daß eine solche Entscheidung falsch wäre. Es wäre eine Lüge, eine verführerische Lüge zwar, aber immer noch eine Lüge, die ihn binden würde, wo er sich Freiheit wünschte. Schlimmer noch, er würde sich selbst damit verkaufen. Er suchte nach Worten, um bei Sybille Verständnis zu finden, und endete schließlich mit dem, was er dachte: »Es wäre falsch. Für sie und für mich. Das wäre grundfalsch.«
Sie wirkte nicht gekränkt, nur betroffen und nachdenklich. »Denk noch einmal darüber nach«, sagte sie verhalten. »Die Entscheidung liegt bei dir. Ich möchte nur, daß du weißt, daß ich dich unterstützen werde.«
»Tante«, sagte Richard zögernd, »da ist noch etwas.«
Da er Sybilles hohes Einfühlungsvermögen kannte, wunderte es ihn kaum, als sie feststellte: »Du liebst eine andere.«
Richard nickte, doch es fiel ihm schwer, seine Gedanken in Worte zu fassen. »Das spielt keine Rolle, soweit es Ursula betrifft, und außerdem ist es ohnehin vorbei. Ich werde sie nie wiedersehen. Aber ich kann sie einfach nicht aus meinen Gedanken verbannen … Sagt mir, wenn ich nun ein Mädchen geheiratet hätte, das keine Familie hat, kein Vermögen, meint Ihr, wir hätten hier glücklich werden können?«
»Das werde ich dir sagen, wenn du mir mehr von ihr erzählst«, erwiderte Sybille, die sich hütete, Richards Frage sofort zu verneinen. Sie hatte ein Geständnis dieser Art mehr oder weniger erwartet. Doch was sie zu hören bekam, waren, wie sie zu Recht vermutete, nur Bruchstücke der Geschichte.
Als Richard geendet hatte, seufzte Sybille und musterte ihren Neffen, der nun so alt war wie sie bei ihrer Heirat. »Es wäre auf keinen Fall gutgegangen, Richard. Hier nicht und dort in Italien vermutlich auch nicht. Ich will nicht von unpassend reden, aber denke doch nur«, sie schöpfte kurz Atem, denn nun mußte sie auf etwas zu sprechen kommen, an dem sie bisher nie gerührt hatte, »an deine Mutter. Man hat sie immer als Fremde gesehen und ihre Ehe nie anerkannt.«
»Was Ihr meint, ist, daß ein Artzt keine Araberin heiratet, und eine Zigeunerin erst recht nicht«, unterbrach Richard schärfer als er beabsichtigt hatte. Sybille schüttelte den Kopf.
»Was ich meine, ist, daß sie unglücklich geworden wäre. Solange der junge Thurzo hier war, lief er herum wie ein Gefangener, und seit Anna mit ihm nach Ungarn ging, ist sie es, um die wir uns Sorgen machen. Im letzten Jahr hat Jakob mich an den Hof mitgenommen, und die Königin dort hat noch kein einziges Wort unserer Sprache gelernt, sie sitzt nur stumm neben König Max und sehnt sich wahrscheinlich ständig nach Mailand.«
»Saviya«, sagte Richard mit einer Mischung aus Sehnsucht und Zorn, »wäre bestimmt nicht damit zufrieden, stumm zu leiden. Sie ist so verdammt eigensinnig, daß sie sich lieber umbringen lassen würde, als nicht ihren Willen zu bekommen.« Mit einer gespielten Achtlosigkeit, die sie sofort durchschaute, setzte er hinzu: »Aber was soll's, das ist ohnehin vorbei, und ich bin froh darüber.«
»Wenn dem so ist«, gab Sybille, die der Versuchung nicht widerstehen konnte, ihn ein wenig zu necken, zurück, »dann wird es dir ja nicht weiter schwerfallen, noch einmal über Ursula nachzudenken.«
Als er sich später mit Jakob in einen ruhigen Winkel zurückzog, wo das Schachbrett schon auf sie wartete, war Richard noch immer etwas durcheinander. Wider Willen kehrten seine Gedanken bald zu Saviya zurück, bald zu
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