Die Puppenspieler
– dieser Mann ist vielleicht alles, was du gesagt hast, aber er ist zumindest kein Heuchler!«
Mit einem Mal war das Bedürfnis, sie anzuschreien, völlig verschwunden. Es machte einer tiefen Traurigkeit Platz, und in diesem Moment hätte er alles darum gegeben, damals in Florenz, als sie mit ihm aus der Stadt fliehen wollte, mit ihr fortgeritten zu sein.
»Es tut mir leid, Saviya«, sagte er leise und sah sie dabei nicht an, »aber ich meine es wirklich ernst. Nicht dieser Mann. Es wäre am besten, du würdest ganz aus Rom fortgehen. Du hattest solche Angst vor Florenz, fühlst du nicht, daß diese Stadt hier hundertmal gefährlicher ist als Florenz?«
Sie schwieg, aber er spürte ihre Hand nach der seinen greifen. Als er ihre Finger umschloß, immer noch fest, fast rauh, nicht die weichen, sanften Finger einer Dame, bemerkte er, daß sie seinen Ring noch trug. Doch er sagte nichts; es war, als ob jedes falsche Wort jetzt den dünnen Faden, der sie beide noch zusammenhielt, zerreißen könnte. So standen sie beieinander, verbunden nur durch diesen Händedruck, bis Saviya ihn schließlich auf die Wange küßte und flüsterte: »Danke, Riccardo.«
Dann löste sie sich von ihm und verließ den Raum. Richard blieb zurück, nicht sicher, ob er gewonnen oder verloren hatte.
38
Es WURDE F RÜHLING und die Situation in Rom immer angespannter. Mehrere Bedienstete der Orsini und der Borgia waren schon ›Unfällen‹ zum Opfer gefallen, doch noch war kein Familienangehöriger getötet worden, auch keiner der zahlreichen Borgia-Vettern, die von der Iberischen Halbinsel nach Rom strömten. ›Zehn Pontifikate‹, schrieb der florentinische Gesandte einmal ärgerlich an Piero de'Medici, ›würden nicht genügen, um diese Verwandtschaft zufriedenzustellen.‹
Piero war den Zahlungsforderungen des Papstes fürs erste nur durch ein geheimes Versprechen entkommen, das sein Bruder geleistet hatte und das Giovanni zu der Bemerkung veranlaßte, er sei froh, in einiger Entfernung von der Via Larga zu leben. »Piero ist so stolz darauf, mit einer Orsini verheiratet zu sein«, sagte der junge Kardinal zu seinem Beichtvater. »Schon das unbedingte Treuegelübde, das der Heilige Vater ihm abverlangt hat, war für ihn schwer zu schlucken. Aber daß ich auch noch versprochen habe, die Medici würden eine Heirat zwischen Ferrantes Enkelin und dem jüngsten Sohn seiner Heiligkeit vermitteln – ich kann Piero auf diese Entfernung hören. ›Eine Prinzessin aus dem Haus Aragon und der Bastard der Borgia‹, ›die Medici zu Kupplern herabgesunken‹, et cetera et cetera . Aber immerhin – wir müssen jetzt nicht mehr zahlen, oder?«
Mario war also einer der wenigen, die wußten, daß Alexander VI. sich nach zwei Richtungen hin absicherte – er verheiratete seine Tochter mit einem Sforza und seinen Sohn Joffre mit einer Vertreterin des Königshauses Neapel. Aber nur wenige Tage nach der Hochzeit von Giovanni Sforza mit der dreizehnjährigen Lucrezia Borgia erfuhr auch der Rest der Welt davon, denn der Onkel des Bräutigams, Kardinal Ascanio Sforza, durch seinen wohlmeinenden Kollegen Giuliano della Rovere auf die Heiratspläne aus Neapel aufmerksam gemacht, verursachte einen öffentlichen Skandal im Vatikan, als er türschlagend aus den päpstlichen Gemächern gestürmt kam und lauthals etwas von einem hinterlistigen Katalanen murmelte, der seine Bastarde an alles verhökere, was nur nach Adel rieche.
In Rom verbreitete sich ziemlich schnell die Nachricht, Kardinal della Rovere ließe seine Festung in Ostia weiter ausbauen, als deutliche Geste der Herausforderung dem Papst gegenüber. An sich war diese Neuigkeit längst nicht so interessant gewesen wie ein Streit zwischen den Borgia und den Sforza, doch Richard brachte sie auf eine Idee.
Ostia hatte auch heute noch einen kleinen Hafen, doch zu Zeiten des Römischen Reiches war diese Stadt der wichtigste und bedeutendste Stützpunkt der römischen Seemacht gewesen. Nicht nur die Getreidezufuhr, sondern der gesamte Handel, der nun, viele Jahrhunderte später, Venedig seine Bedeutung verlieh, war damals über Ostia gelaufen. Bestimmt gab es in Ostia noch Überreste der alten Hafenmetropole, und wer konnte wissen, worauf die Männer des Kardinals bei ihrem Festungsbau stießen?
Entschlossen machte er sich mit ein paar Begleitern auf den Weg. Es war nicht schwer, ein kleineres Schiff für die Fahrt den Tiber hinunter zu mieten; Zink ließ ihm bei den Ausgaben wesentlich mehr Freiraum
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