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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Kapitäne bereits die Südspitze von Afrika umrundet, auch wenn noch niemand gewagt hatte, den gesamten Weg zurückzulegen.
    »Wem, glaubst du, wird der Papst wohl recht geben?« fragte Richard Mario, als sie wieder einmal in ihrer Lieblingstaverne saßen. Es bestand nicht die geringste Notwendigkeit, leise zu reden. Niemand in Rom sprach über etwas anderes. »Oder besser gesagt – was wird sich durchsetzen? Die spanische Herkunft oder das portugiesische Geld?«
    Mario gestattete sich ein Schulterzucken. »Ich weiß es nicht. Die Portugiesen sind als Handelsmacht viel reicher, das stimmt, aber Ferdinand und Isabella haben eine hervorragende Armee, die sich zehn Jahre lang im Kampf gegen die Mauren bewährt hat.«
    »Und was«, erkundigte sich Richard gedehnt, »hält Seine Eminenz, dein Kardinal, für das Wahrscheinlichere?«
    »Das soll doch wohl hoffentlich kein Versuch sein, mich dazu zu verleiten, das Beichtgeheimnis zu brechen, Riccardo.«
    Richard hob beide Arme. »Schon gut, schon gut, ich ergebe mich, San Mario. Natürlich wollte ich nichts aus der Beichte wissen. Glaubst du, mich interessieren die Seelennöte eines Siebzehnjährigen?«
    »Selbstverständlich nicht, vor allem, weil du so viel älter bist.«
    Mühsam unterdrückte Richard ein Grinsen, dann fuhr er fort: »Aber der eine oder andere Hinweis auf das, was im Haushalt des ehrwürdigen Kardinals so geredet … im Haushalt, Mario … ganz allgemein … kann doch nicht schaden, oder?«
    »Das hat die Schlange zu Eva auch gesagt«, stellte Mario fest, und diesmal prusteten sie beide los. Es war eine Erleichterung, einmal nicht alles so ernst nehmen zu müssen und scherzen zu können wie früher in Florenz.
    »Nein, wirklich«, sagte Mario, nachdem er wieder zu Atem gekommen war, »ich kann dir nichts verraten, Riccardo. Du wirst wie alle anderen warten müssen. Auf das eine oder andere. Oder beides.«
    »Beides?«
    Die Lösung, die Seine Heiligkeit, Papst Alexander, nach einer erstaunlich kurzen Zeit schließlich fand, war in der Tat salomonisch, auch wenn sie der portugiesische Gesandte als ›einen Kuhhandel zwischen zwei Katalanen‹ bezeichnete. Er entschied, daß Indiens und Asiens neuentdeckte Territorien entlang einer Linie zweihundertsiebzig Meilen westlich der Kapverdischen Inseln, von der südlichen Arktis zu der nördlichen Arktis zwischen Spanien und Portugal aufgeteilt werden sollten.
    Richard hatte ursprünglich zumindest den Versuch unternehmen wollen, den Papst von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Hexenbulle zu widerrufen. Es wäre nicht allzu schwer gewesen, eine weitere Audienz zu erwirken. Doch seit dem Neujahrstag brachte er es nicht über sich, noch einmal in den Vatikan zu gehen. Er war sich nicht sicher, ob er sich würde beherrschen können, wenn er zufällig dem Sohn des Papstes begegnen sollte, und auch dessen Vater gegenüber traute er seiner Selbstbeherrschung nicht. Besser also, ein Gesuch zu verfassen.
    Er entschloß sich, seine Bekanntschaft mit den Kirchenfürsten, denen er Skulpturen, Malerei oder Geschmeide vermittelte, weiter zu vertiefen, bis er einen von ihnen um den Gefallen bitten konnte, sein Gesuch zu überbringen. Giovanni de'Medici wäre wahrscheinlich schon jetzt dazu bereit gewesen, doch Richard war sich darüber im klaren, daß er einen einflußreicheren und gewichtigeren Fürsprecher als den kleinen Kardinal aus Florenz brauchte. Außerdem wollte er warten, bis ein Exemplar seines Buches aus Augsburg angekommen war, das er dem Gesuch beilegen konnte.
    Inzwischen bemühten sich Richard und Saviya, wirklich Freunde zu sein, und da keiner von beiden krank oder abhängig vom anderen war, bewegten sie sich dabei auf einem neuen, wenn auch ständig gefährdeten Territorium. Aber langsam gewannen sie sicheren Boden, obwohl es Themen gab, die sie vermieden.
    Richard stellte fest, daß Saviyas Neugier auf Bücher nicht nachgelassen hatte. Er machte sich auf die Suche nach anderen Bibliotheken neben der vatikanischen, die er bei aller Neugier nicht betreten konnte und wollte. Mario verwies ihn an die Klöster der Umgebung, die Richard eine Möglichkeit boten, immer wieder Zugang zur Welt des Wissens zu finden. Er schrieb sich viel mehr Stellen als vorher ab, um Saviya auch daran teilhaben zu lassen, und war überrascht, wieviel Zeit sie auf diese Weise harmonisch miteinander verbringen konnten.
    Der Frühling ging fast schon in den Sommer über, als Richard bei einem Ausflug, den er mit Saviya machte, von der

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