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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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über der Brust gekreuzt. Mit Sicherheit war dies keine Göttin; seine Phantasie spiegelte ihm eine römische Senatorentochter vor, die einem Bildhauer kurz vor ihrer Vermählung für dieses Relief Modell saß, um es ihrem zukünftigen Mann zu schenken.
    Widerwillig gab Richard das Stück zurück und erhielt seine Börse; grübelnd betrachtete er das Mädchen, dessen Oberkörper hinter dem Relief, welches sie umfangen hielt, fast verschwand.
    »Du wirst sie nicht lange behalten können, weißt du … Wenn deine Eltern das herausfinden, bringen sie sie bestimmt zu den Leuten des Kardinals.«
    Sie machte ein störrisches Gesicht. »Du hast versprochen, daß du nichts verrätst.«
    »Ich will auch gar nichts verraten. Aber so etwas kommt immer irgendwann heraus. Zum Beispiel könnte dich jemand beobachten, wenn du hierherkommst.« Er ließ einige Zeit schweigend verrinnen, bis er hinzufügte: »Wenn du sie mir gibst, dann bekommst du auch etwas dafür.«
    Es war ihm klar, daß der Reiz des Geldes für ein Kind nicht genügen würde; schon die ganze Zeit hatte er überlegt, was er ihr wohl außerdem anbieten könnte. Richard nahm einige Münzen aus seiner Börse und ließ sie im Licht der Nachmittagssonne glitzern.
    »Die hier … und eine Reise.«
    »Eine Reise?« fragte das kleine Mädchen überrascht.
    »Du warst doch noch nie in Rom, oder? Ich könnte dich auf dem Schiff, mit dem ich gekommen bin, mitnehmen, und dann fährt es wieder mit dir zurück, ganz allein, nur für dich.«
    Das war es; ihre Miene hellte sich auf, und schon bald war Richard nicht nur im Besitz des Reliefs, sondern das Mädchen wollte ihm auch, wenn er sein Versprechen wirklich eingelöst habe, noch verschiedene Stellen zeigen, wo, wie sie sich ausdrückte, ›zu große Sachen in der Erde liegen, um sie mitzunehmen‹.
    Da Richard nicht wußte, ob und wann er wiederkommen würde, und vor Aufregung kaum noch still sitzen konnte, begann nun ein zähes Verhandeln mit dem Kind, dessen Fähigkeiten sich auch in Augsburg durchaus hätten sehen lassen können.
    Die Rückfahrt nach Rom trat er mit einem Halbrelief, zwei Statuen und einem riesigen Flachrelief, das seine Männer ächzend unter den interessierten, aber verständnislosen Blicken der Ortsbewohner zum Hafen getragen hatten, an Bord an – begleitet von einem kleinen, sehr aufgeregten Mädchen.
    Eigentlich hatte Richard mit Schwierigkeiten gerechnet, zumindest mit einigem Befremden der Eltern des Mädchens oder im Handelshaus, wo sie schließlich übernachten mußte, bevor das Schiff sie am nächsten Tag wieder nach Ostia brachte. Doch weder dort noch bei Zink, wo gleichzeitig mit ihm ein völlig abgehetzter Kurier aus Spanien eintraf, mußte er sich rechtfertigen.
    »Wir haben natürlich das Lichtzeichensystem in Anspruch genommen und die Nachricht sofort übermittelt«, berichtete der Bote, »und die Kuriere ihrer Majestäten sind direkt hinter mir. Gewiß will Herr Fugger baldmöglichst wissen, wie der Heilige Vater entscheidet.«
    »Was um alles in der Welt ist denn geschehen, Mann?«
    »Erinnert Ihr Euch noch an diesen Genueser, den ihre Majestäten letztes Jahr mit drei Schiffen losgeschickt hatten? Er ist wieder da! Er hat tatsächlich den westlichen Seeweg nach Indien gefunden!«
    Niemand dachte nach dieser Nachricht daran, sich an Richards kleinem Gast zu stören, und auch ihm selbst fiel es nicht ganz leicht, sich auf das Mädchen zu konzentrieren, bis es am nächsten Morgen glücklich und zufrieden wieder auf dem Weg nach Ostia war.
    Er fragte sich, ob Jakob von der Expedition nach Westen gewußt hatte, als er die Heirat zwischen Maximilians Sohn und der Infantin arrangierte und sich nebenbei die Rechte in spanischen Häfen sicherte. Hatte Jakob auf den Erfolg dieses Unbekannten gesetzt? Es schwindelte Richard, wenn er an die Konsequenzen dachte. Wenn man tatsächlich von Spanien aus nach Indien gelangen konnte, dann würde ein großer Teil des Handels, der bisher über Venedig lief, uninteressant werden; um von den portugiesischen Stützpunkten in Afrika ganz zu schweigen.
    Die portugiesische Gesandtschaft traf einen Tag nach der spanischen in Rom ein. Der König von Portugal nannte es schlichtweg unverschämt, daß Ferdinand und Isabella ganz Indien für sich beanspruchten, nur weil einer ihrer Kapitäne ein paar obskure Inseln, von denen noch kein Mensch vorher gehört hatte, entdeckt hatte, und verwies auf seine viel älteren Rechte durch die Ostroute. Immerhin hatten seine

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