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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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als Eberding, zumal der Leiter der römischen Faktorei wußte, daß Richard die Mittel besaß, um im Zweifelsfall für einen Verlust selbst geradezustehen.
    Es erwies sich als glückliche Idee, in Begleitung gekommen zu sein, denn der Kardinal hatte den Hafen von Ostia von seinen Soldaten besetzen lassen und ihnen offenbar die Anweisung gegeben, unliebsame Eindringlinge fernzuhalten.
    »Was wollt Ihr hier?« herrschte der Hauptmann der Wache, die Richard in Empfang nahm, ihn an. In seinem höflichsten Tonfall erwiderte Richard, er sei Kaufmann, Angestellter des Unternehmens Fugger und auf der Suche nach brauchbaren Überresten der altrömischen Hafenstadt. Einen anderen Grund anzugeben wäre sinnlos gewesen, da sie auf dem Rückweg gewiß noch einmal kontrolliert wurden.
    »Überreste? Jeder Schatz, der hier gefunden wird, gehört seiner Eminenz!« knurrte der Hauptmann.
    Gewiß, versetzte Richard; man sei auch nicht auf der Suche nach Gold oder Juwelen, sondern nach brauchbaren Steinen zur Verschönerung des Fondaco in Rom. Er setzte darauf, daß der Hauptmann die Meinung der meisten Römer, die in den antiken Ruinen einen besseren Steinbruch sahen, teilte. Wenn Giuliano della Rovere einen Mann mit Sinn für Kunst hier postiert hatte, wäre das allerdings Pech; doch Richard nahm an, daß der Kardinal weniger die Entwendung von Steinen und Skulpturen als Spione des Papstes fürchtete.
    Mit einiger Überredungskunst und verhältnismäßig geringem Aufwand an Bestechungsgeldern gelang es ihm schließlich, die Genehmigung für die Ausfuhr von ›Steinen‹ zu erhalten, vorausgesetzt, er bezahle dafür eine gewisse Entschädigung.
    Die Burg, die sich der Kardinal erst vor ein paar Jahren hier hatte bauen lassen, überragte die kleine Ortschaft. Richard erkundigte sich bei den Bewohnern, die allesamt an den Erweiterungsbauten arbeiteten, ob sie bei den Grabungen irgend etwas gefunden hatten, das nicht mehr zu verwenden gewesen sei.
    Im Prinzip, beschied man ihm, sei alles, außer den Amphoren, die man habe zerschlagen müssen, zu verwenden, und Richard erfaßten böse Ahnungen.
    Nach stundenlangem vergeblichen Wühlen in den Ruinen war er völlig verzweifelt. Doch dann stand sein gewohntes Glück ihm wieder bei. Als er einige spielende Kinder beobachtete, kamen ihm seine Streifzüge in Wandlingen wieder in den Sinn. Für ein Kind – das wußte er noch aus eigener Erfahrung – war ein gewöhnlicher Fund noch aufregend genug, um ihn als Schatz zu behandeln und nicht als Baumaterial zu sehen.
    »Schwört Ihr, daß ihr nichts geschieht«, verlangte das kleine Mädchen, das schließlich, nachdem er seine letzten Melonen mit ihr geteilt hatte, bereit war, ihm Auskunft zu geben, sehr ernst.
    »Ich schwöre es.«
    Sie führte ihn – ohne seine Begleiter – schließlich zu einem kleinen Wäldchen bis zu einer Stelle, wo eine kleine Grube von Ästen und Zweigen abgedeckt war. Mehrere in Säcke gehüllte Gegenstände lagen dort, und Richard ertappte sich dabei, wie er die Hände hinter dem Rücken ineinander verschränkte, um nicht in Versuchung zu geraten. Das kleine Mädchen warf ihm einen listigen Blick zu.
    »Denk daran, das ist alles meins«, sagte sie mahnend, bevor sie einen der grobgeflickten Säcke, die früher mit Getreide gefüllt gewesen sein mochten, öffnete und mühsam einen länglichen Gegenstand herausholte. Richard hielt den Atem an. Jetzt verstand er, wen das Mädchen mit ›sie‹ meinte. Zum Vorschein kam, immer noch mit Erdspuren bedeckt, ein makelloses Relief von einer weiblichen, seitwärts gewandten Gestalt.
    Seine Gedanken überschlugen sich. Handelte es sich um eine Darstellung der Göttin Roma, deren Kult Augustus hier in Ostia erst eingeführt hatte? Um eine andere Göttin, eine der zwölf olympischen? Oder war es ein Teil einer Grabplatte?
    »Darf ich sie einmal halten?« bat er das Kind mit mühsam beherrschter Stimme.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Du nimmst sie mir weg.«
    »Ich würde sie in der Tat gerne haben, aber ich stehle nicht. Hier, so lange, wie ich sie halte, kannst du meine Börse als Pfand haben.«
    Das schien sie zu überzeugen. Doch Richard war nicht so hingerissen von dem Fund, als daß er das Kind nicht aus den Augenwinkeln beobachtet hätte, während seine Hände andächtig über die klaren Linien des Reliefs strichen. Er entdeckte keine Inschrift, nur diese Frauengestalt mit ihrem leicht geneigten Kopf und dem strengen Profil, die Arme in einer seltsam verwundbaren Geste

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