Die Puppenspieler
Veronikas Überlegungen. »Ich glaube, sie kommen!«
Sie sah erfreut und erwartungsvoll aus. In Veronika wallte jähe Abneigung auf. Sie hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, von dieser Kindfrau, die um so vieles jünger war als sie selbst, geduzt zu werden. Natürlich war es Sitte, da sie nun einmal Schwägerinnen waren. Und eben diese Tatsache war an Veronikas Abneigung schuld.
Es war nicht so sehr Sybilles Jugend, ihre Lebhaftigkeit, ihre Bildung, die Veronika wie eine Bauersfrau wirken ließ, oder ihre Gestalt, an der sich nicht wie bei Veronika die Spuren zahlreicher Geburten und Fehlgeburten abzeichneten. All diese Vorzüge hatte Sybille mit zahlreichen anderen Frauen gemein. Doch keine von diesen zahlreichen anderen hatte Jakob Fugger geheiratet.
»Man sollte meinen, Schwägerin«, sagte Veronika langsam, »du wärest enttäuscht, dich jetzt schon um einen so großen Jungen kümmern zu müssen – im ersten Jahr deiner Ehe, wo die Männer gewöhnlich ihrer Frau die meiste Zuwendung schenken. Oder langweilst du dich etwa?«
Sybille erstarrte kurz. Zu oft hatte sie Sticheleien von Veronika Fugger hinnehmen müssen, um sich jetzt noch gekränkt zu fühlen, und so ging sie erst gar nicht auf die Herausforderung ein.
»Richard ist mein Blut«, sagte sie kurz.
»Gewiß«, entgegnete Veronika geschmeidig. »Aber als du unseren Jakob geheiratet hast, Sybille, da warst du doch sicher froh, daß keine Stiefkinder da waren, mit denen du Zeit und Liebe deines Gatten hättest teilen müssen … nicht, daß der gute Jakob in diesem Fall viel von dem einen oder anderen herzugeben hätte. Man sieht ihn doch kaum außerhalb seines Kontors.«
»Ach nein«, meinte Sybille strahlend, »Stiefkinder habe ich in der Tat nicht vermißt, denn ich wußte, daß ich so viele neue Nichten und Neffen bekommen würde, die ich alle darüber hinwegtrösten muß, daß sie bald nicht mehr alleine Erben der Fugger sein werden!«
Sie lächelte ihre Schwägerin süß an, und Veronika war sprachlos vor Wut. Dieses Weibstück! Niemand, niemand hatte erwartet, daß Jakob noch heiraten würde. Gut, er war der Jüngste der drei Brüder, achtzehn Jahre jünger als Ulrich, ihr eigener Gemahl. Eigentlich alt war er auch nicht, erst Mitte Dreißig, doch für gewöhnlich heiratete man früh. Zu viele Kinder überlebten nicht, und zu viele Frauen starben im Kindbett. Ulrich und Georg, die beiden älteren Fugger, hatten es so gehalten – waren die beiden sowie Jakob und Anna, die Schwester, nicht die einzigen noch Lebenden von elf Geschwistern? Nein, man mußte sich vermählen, ehe der Tod zuschlug. Die Familie durfte nicht untergehen.
Nur Jakob hatte darauf verzichtet, und mit der Zeit hatte sich niemand mehr darüber gewundert, denn erstens war Jakob schon mit seinem Kontor und dem ganzen Unternehmen verheiratet, und zweitens hatten sie ihn aus dem Kloster zurückgeholt, wo er bereits die niederen Weihen erhalten hatte. Es erschien etwas blasphemisch, an Ehe zu denken, und auch Georgs Gattin erwies sich als fruchtbar. Alle waren zufrieden, zumindest nach Veronikas Meinung.
Die Nachricht, Jakob habe die Patriziertochter Sybille Artzt gefreit, hatte Veronika wie ein Blitz getroffen, doch nur in der Stille ihres Schlafgemachs wagte sie es, die Stimme gegen ihren Schwager zu erheben. Denn wenn auch der laute, polternde Ulrich der Älteste war – die Entscheidungen sowohl im Unternehmen als auch in der Familie traf sein jüngster Bruder, und mittlerweile kam niemand mehr auf die Idee, sich dagegen aufzulehnen. So ruhig Jakob auch war, und so selten er jemanden tadelte – Veronika fürchtete ihren Schwager.
So schwieg sie Jakob gegenüber, half, die Hochzeit für ihn und Sybille Artzt auszurichten, und hieß ihre neue Schwägerin willkommen. Doch abends, alleine mit Ulrich, kannte sie keine solchen Zurückhaltungen mehr.
»Dieses hochmütige junge Ding als Herrin im Haus!«
Ulrich fühlte sich unbehaglich. »Nun, es war eine Ehe zum Nutzen der Familie, das kann man nicht anders sagen, Veronika.« Veronika schnaubte nur verächtlich.
Natürlich hatte Jakob recht, und sie konnte sich auch nicht vorstellen, daß Jakob einmal etwas tat, das ihm nicht irgendwie Vorteile brachte. Die Verbindung mit der hochangesehenen Familie Artzt, die selbst ein beträchtliches Vermögen besaß und zum Stadtpatriziat zählte, war für die Fugger, die man in Augsburg als neureich ansah, ein enormer gesellschaftlicher Aufstieg.
Sybilles Onkel war mehrmals
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