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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Kind mehr, hatte der Abt in einer schwachen Minute einmal gesagt, das ist eine Marmorstatue.
    Nein, Richard war für die Benediktiner verloren. Der Abt hob den Kopf und begegnete dem Blick des Jungen, und was er darin las, bestürzte ihn noch mehr. Es war nicht länger Haß, sondern Verachtung. Der Abt wäre mit Haß besser fertig geworden.
    War es denn meine Schuld, dachte er gereizt, haben wir nicht alles getan, was wir konnten? Haben wir nicht große Gefahr auf uns genommen, indem wir uns der heiligen Inquisition gegenüber so abweisend verhielten und der Sarazenin sogar einen Verteidiger gaben? Ist das Ende meine Schuld?
    Richard beobachtete ihn. O ja, sie verstanden alle nicht, was man ihnen vorwerfen konnte, diese ach so christlichen Mönche. Sie waren keine unmenschlichen Ungeheuer, das nicht. Sie fühlten Mitleid, wenn es angebracht war, und waren sogar bereit, im kleinen zu helfen – solange es nicht ihre eigene Sicherheit berührte. Feiglinge, Schwächlinge, einer wie der andere. Doch sogar Feiglinge konnte man noch ertragen, wenn sie sich ihrer eigenen Schwäche bewußt waren. Doch diese Mönche hielten sich für Helden, denen man Unrecht getan hatte.
    »Nun, Richard«, sagte der Abt abrupt, »du kannst wohl nicht länger in Wandlingen bleiben, in der Stadt nicht und im Kloster auch nicht. Ich habe an deine Großeltern in Augsburg geschrieben. Heute kam eine Antwort, nicht von deinen Großeltern, sondern von der Schwester deines Vaters.«
    Der Abt hielt einen Moment lang inne. Die hohe, geschwungene Schrift hatte ihn seltsam irritiert, und er war sich nicht sicher, ob die Fähigkeit, lesen und schreiben zu können, einer weltlichen Frau zustand. Doch im Großbürgertum neigten in den letzten Jahrzehnten einige Familien dazu, ihre Töchter diese Künste erlernen zu lassen.
    »Sie wurde zu Anfang dieses Jahres mit Jakob Fugger vermählt«, er verzog ein wenig den Mund, »dem Kaufmann. Du wirst von ihm gehört haben. Dieser schwäbische Pfeffersack versteht es, sich bekannt zu machen, oder vielleicht sollte man besser sagen, berüchtigt.«
    Er wußte, daß er sich in Nebensächlichkeiten verlor, doch diese Abschweifungen waren seltsam tröstlich und gaben ihm eine Art von innerer Sicherheit. »Wie dem auch sei, ihr Gemahl hat eingewilligt, dich in seine Familie aufzunehmen. In dieser Woche kommt ein Kaufmannszug der Fugger durch Wandlingen, dem du dich anschließen wirst.«
    Er verstummte. Das Schweigen schien sich endlos hinzuziehen. Was gab es eigentlich noch zu sagen? Sollten sie nicht froh sein, einen undankbaren Jungen loszuwerden? Aber dann erinnerte er sich wieder daran, wie Richard früher gewesen war – so voller Lerneifer und Begeisterung.
    »Du mußt verstehen«, sagte er auf einmal unbeholfen und achtete nicht auf die unwillkürlich abwehrende Geste des Jungen, »niemand hat ahnen können, daß Bruder Heinrich eine solche … eine solche Konsequenz zeigen würde. Ich fürchte, wir stehen am Anfang einer dunklen Zeit.«
    Die Miene des Zwölfjährigen blieb kalt und unversöhnlich. Zeit, dachte Richard, er schwatzt hier von dunklen Zeiten und wendet alles ins Philosophische, anstatt zuzugeben, daß hier ein Mord geschehen ist! Noch vor kurzem war der Abt für ihn eine ehrfurchtgebietende Figur gewesen. Nun sah er nur noch einen ängstlichen alten Mann. Er hörte ihn seufzen.
    »Du kannst gehen, Richard.«

II
Die goldene Stadt
    7
    S YBILLE F UGGER wartete im Innenhof des Fuggerschen Anwesens am Augsburger Rindermarkt auf die Ankunft ihres Neffen. Es wirkte – fand ihre Schwägerin Veronika unzufrieden – vollkommen natürlich, wie sie da mit ihren noch nicht zwanzig Jahren stand und gelassen Anweisungen erteilte, als sei sie schon seit einer Ewigkeit hier Herrin.
    Sybille war groß und schlank, und ihr ebenmäßiges Gesicht mit der geraden Nase, der hohen Stirn und den dunkelblauen Augen hielt jedem Vergleich mit den übrigen Augsburger Schönheiten stand. Lediglich ihr Mund war nicht vollendet: Klein und üppig wie er war, konnte er Sybille den Ausdruck eines schmollenden Kindes verleihen.
    Seltsam, dachte Veronika. Die meisten Frauen wirkten am vorteilhaftesten, wenn sie lächelten. Nicht so Sybille. Nur wenn sie nachdenklich und entschlossen dreinblickte, so wie jetzt, straffte und verhärtete sich ihr Mund, ließ jeden Gedanken an ein Schmollen vergessen und wirkte statt dessen so feingezeichnet und edel, wie ein Maler ihn gerne haben wollte.
    »Hörst du den Lärm?« unterbrach Sybille

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