Die Puppenspieler
betrachtete wie sie ihn. Sein Gesicht war verschlossen, eine unnahbare Maske. Sie hatte angenommen, er würde sehr unglücklich sein, doch seine Miene verriet ihr nichts, absolut nichts.
»Sei gegrüßt, Richard«, sagte sie mit einem aufmunternden Lächeln. »Ich freue mich, dich endlich kennenzulernen. Dies ist«, sie deutete auf die Frau, die sich ihnen inzwischen genähert hatte, »meine Schwägerin Veronika, die Gemahlin deines Onkels Ulrich.«
Veronika schnappte bei dem Wort ›Onkel‹ hörbar nach Luft und erwiderte Richards Begrüßung sehr ungnädig. Sie sah alle ihre Befürchtungen bestätigt – Sybille versuchte ganz offensichtlich, ihren Verwandten in die Familie Fugger hineinzuschmuggeln. Feindselig beobachtete sie, wie sich Sybille von Johann Ehrlich verabschieden wollte, um Richard seine Kammer zu zeigen, als der Kaufmann protestierte.
»Ach, Frau Sybille, ich glaube, es wäre besser, Ihr bliebet hier. Die Ungläubigen werden bald hier sein.«
Sybille fragte verwirrt: »Welche Ungläubigen?«
»Nun, der arabische Kaufmann und sein Gefolge. Solltet Ihr ihn nicht empfangen?«
Sybille spürte das Blut in ihrem Kopf hämmern. Rege dich nicht auf, befahl sie sich, nicht vor Veronika und dem Gesinde! Es konnte doch nicht sein, daß sie einen derart wichtigen und ungewöhnlichen Besuch vergessen hatte!
»Ich weiß nichts von einem arabischen Kaufmann«, sagte sie so ruhig wie möglich.
Ehrlich wurde blaß. »Aber, Frau Sybille, Ihr müßt es wissen! Wir begegneten ihm am Stadttor, wo er Schwierigkeiten hatte, weil er wenig Latein spricht und diese Narren vom Zoll dort noch weniger. Er sagte, er wolle das Unternehmen besuchen, und habe schon einen Boten vorausgeschickt. Ich hatte es eilig, Herrn Fugger Bericht zu erstatten, deswegen ließ ich nur einige meiner Leute dort, um ihm zu helfen und ihm den Weg zu weisen, und zog weiter. Es muß ein großer Herr sein, ich glaube sogar, es ist Ibn Ammar, mit dem Euer Gemahl schon länger in Verbindung steht.«
Sybille preßte die Hand an die Schläfen. Es war klar, was geschehen war. Ein Bote konnte in diesen unruhigen Zeiten leicht verschwinden, dazu bedurfte es nur ein paar geschickter Straßenräuber. Doch ebenso offensichtlich war, daß sie überhaupt nicht auf einen Kaufmann aus dem Orient, der Jakob wichtige Handelswege eröffnen konnte, vorbereitet waren.
Sie schluckte und straffte sich. Für Johann Ehrlich und seinen Zug hatte sie glücklicherweise gesorgt. Eilig gab sie den Befehl, einige Gemächer vorzubereiten.
»Wenn nötig, dann quartiert eben einige der Scholaren aus, die in der letzten Woche gekommen sind, und … Meister Ehrlich, Ihr wollt bestimmt endlich zu meinem Gemahl. Erzählt ihm als erstes von dem Fremden. Wie viele Männer hat er bei sich?«
Ehrlich kratzte sich verwirrt am Kopf, doch der Junge, der neben ihm stand, sagte kühl: »Etwa zwanzig. Ihr solltet ihnen auch ein Bad vorbereiten lassen, Tante, das würden sie schätzen.« Sybille warf ihm einen verwunderten Blick zu und winkte einen Bediensteten herbei. Veronika, die bisher geschwiegen hatte, runzelte die Stirn.
»Mich wundert«, sagte sie schneidend, »daß du diesem unverschämten Bengel einen solchen Ton durchgehen läßt, Schwägerin. Er brauchte eine Tracht Prügel! Du willst doch nicht etwa auf ihn hören?«
Sybille hielt mitten in der Bewegung inne und schaute auf ihren Neffen. »O doch«, sagte sie langsam, »das werde ich. Richard, sprichst du Arabisch?« Er nickte nur. Sie schalt sich eine Närrin, weil sie nicht früher an diese Möglichkeit gedacht hatte. »Liebe Veronika«, sagte sie, »wenn du gestattest, werde ich mich jetzt mit Richard entfernen. Ich möchte doch nicht, daß du weiter unter unserer Gegenwart leiden mußt.«
An die nächsten Minuten konnte sie sich später kaum erinnern. Sie verschwammen in einer Flut von Bewegungen, hastigen Befehlen und dem vergeblichen Versuch, von Richard noch schnell einige arabische Ausdrücke zu lernen. Dann kam der Mann, den sie geschickt hatte, um dem unbekannten Gast den Weg durch den Markt zu bahnen, und kündigte »den ehrenwerten Abu Bakr Muhammad Ibn Ammar« an.
Richard sah aus den Augenwinkeln, wie seine Tante in eine Verbeugung versank, wie er ihr angeraten hatte, und starrte fasziniert auf den prächtig gekleideten Kaufmann mit seinem Gefolge. Vor den Stadttoren hatte ihn noch die innere Erstarrung, in der er sich befand, daran gehindert, diesen Augenblick wirklich wahrzunehmen. Doch irgend etwas, und
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