Die Puppenspieler
man den Kaufmannsberuf besser erlernen könnte. Und Richard wird nach Florenz gehen in die neue Faktorei.«
»Als Leiter?« fragte Ulrich entsetzt.
Jakob sah ihn vorwurfsvoll an. »Wirklich, Ulrich, du erstaunst mich. Du solltest mich wahrhaftig besser kennen, als mir zuzutrauen, einem unerfahrenen Jüngling eine ganze Faktorei zu übergeben, noch dazu, wenn sie erst gegründet werden muß. Anton Eberding wird sie führen. Richard geht als Gehilfe.«
»Nach Florenz?« Richard glaubte, er habe nicht richtig gehört.
Jakob, der gerade noch einen Brief mit seinem schwungvollen ›Jacobo Fugger‹ unterzeichnet hatte, hob den Kopf.
»Ist der Gedanke so unangenehm?« fragte er sarkastisch. »Du mußt doch etwas in der Art erwartet haben, nachdem ich dir monatelang etwas über italienische Handelsstrukturen erzählt habe.«
»Ich hatte Venedig erwartet«, sagte Richard offen.
Florenz! Er wußte, und Jakob wußte es genauso, daß es ihn nicht mehr lange in Augsburg halten würde. Nicht, daß die Möglichkeit, mit Jakob Fugger in einem Kontor zu arbeiten, nicht fesselnd war, doch er machte sich keine Illusionen – was Jakob ihm gezeigt hatte und beabsichtigte, ihm zu zeigen, waren nur winzige Bruchteile des Gesamtunternehmens. Faszinierend für ein paar Monate, aber für ein ganzes Leben? Wenn er hätte entscheiden können, ohne Rücksicht zu nehmen, wäre er lieber heute als morgen nach Florenz aufgebrochen, um dort an der platonischen Akademie zu studieren. Aber es war Jakob, dem er sein Leben hier schuldete, vier Jahre bester Erziehung und … Familie, so ungern er sich das auch eingestand. Und er spürte, daß Jakob irgend etwas mit ihm plante.
Natürlich hinderte ihn nichts daran, sich heimlich aus dem Staub zu machen, wie er es einmal vorgehabt hatte. Nichts außer Dankbarkeit, dem Gefühl einer Schuld, die zurückgezahlt werden mußte, und einer Loyalität, die ihn enger an Jakob, Sybille und die Fugger band, als er es wahrhaben wollte. In den letzten Monaten war er zu dem Schluß gelangt, Jakob würde ihn nach Venedig schicken, und er war auch bereit gewesen, alles zu tun, was dort von ihm erwartet wurde. Schließlich lag Venedig auch südlich der Alpen, das Leben eines Kaufmanns mußte nicht an einen Ort gebunden sein, und wenn Jakob es wünschte …
Doch Florenz war immer sein Traum gewesen. Richard räusperte sich und musterte Jakob. Jakob war in den letzten Jahren gealtert, obwohl er die Vierzig noch nicht erreicht hatte; doch der helle Blick war so lebendig und konzentriert wie eh und je. Richard kam etwas in den Sinn, woran er früher hätte denken sollen. Er lächelte vorsichtig. Jakob Fugger tat nie etwas ohne Nebenüberlegungen.
»Wo ist der Haken?« fragte er betont höflich.
Jakobs Mundwinkel zuckten. »Ich weiß nicht«, sagte er langsam, »ob ich geschmeichelt oder gekränkt sein sollte. Immerhin, die Frage beweist, daß ich mich nicht in dir getäuscht habe, Richard.« Völlig übergangslos veränderte sich sein Ton; er wurde unpersönlich, sehr sachlich und präzise.
»Was in dieser Welt einen guten Kaufmann auszeichnet, ist in der Regel ein Vorsprung an Information und die Fähigkeit, sie zu nutzen. Und genau das brauche ich aus Florenz. Nachrichten. Nachrichten, die nicht willkürlich ausgewählt wurden, sondern auf ihre Bedeutung hin untersucht. Nachrichten auch darüber, wie die Menschen dort denken, welche Gerüchte sich ausbreiten, welche Meinungen, Dinge, die keinem Fremden erzählt werden. Du hast alle Voraussetzungen, um in einer Stadt wie Florenz Fuß zu fassen.«
Jakob schwieg einen Moment. »Ich habe bereits Zuträger in Italien, leider in der Regel nicht besonders intelligente. Was ich möchte, ist jemand, der entscheiden kann, welche Informationen wichtig sein könnten, welche Bücher, welche Erfindungen dem Unternehmen nützen würden. Aus Florenz, einer der bedeutendsten Universitäts- und Handelsstädte Italiens. Verstehst du, Richard?«
Richard nickte. »Ja«, sagte er gedehnt, »ich verstehe.« Man könnte es auch ein wenig gröber als Spion bezeichnen. Aber auf der anderen Seite würde Jakob keine Berichte über die heimlichen Geschäfte der Medici erwarten, dafür hatte er seine … Zuträger. Nein, was Jakob wollte, war viel aufregender. Ein Abenteuer, verbunden mit dem, was er sich schon immer gewünscht hatte. Etwas verärgert bemerkte er, daß sich seine Phantasie schon an der Vorstellung entzündet hatte. Jakob Fugger wußte, wie man Köder auslegte. Es bestand
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