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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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vielleicht die höhere Erziehung«, donnerte Ulrich wütend, »aber ich sehe nicht ein, was daran komisch ist!«
    Jakob betrachtete ihn erheitert. »Wenn du es tätest, wärst du jetzt nicht hier. Richard! Du meine Güte, Richard als Leiter des Unternehmens!«
    Ulrich war verunsichert und verwünschte zum wiederholten Mal Jakobs Unberechenbarkeit. Wann würde er endlich wissen, was von seinem jüngsten Bruder zu erwarten war!
    »Ich halte Richard für einen aufgeweckten Jungen«, sagte Jakob jetzt ruhig, »klüger als einige, die ich nennen könnte, und ich habe in der Tat Pläne mit ihm. Aber, Ulrich, er ist vollkommen ungeeignet, um ein Unternehmen wie das unsrige zu beherrschen. Zunächst einmal ist er viel zu ruhelos und auf Fremdes, Andersartiges erpicht. Zweitens fehlt ihm die nötige Härte, um gewisse Entscheidungen zu treffen.«
    Ulrich fühlte sich unwohl in seiner Haut. Die gewissen Entscheidungen, von denen Jakob sprach, hatten erst neulich einen Selbstmord zur Folge gehabt, als ›Ulrich Fugger und Gebrüder‹ einen Rivalen im Osthandel durch gezielte üble Nachrede, Bestechung und den Ankauf von Schuldscheinen aus dem Geschäft gedrängt hatten. Von einem Impuls getrieben, hatte Ulrich damals gefragt: »Schläfst du eigentlich nie schlecht, wenn so etwas geschieht, Jakob?« Ein erstaunter Blick war die Folge gewesen. »Nein.«
    »Und drittens«, sagte Jakob jetzt, »ist Richard ein Träumer. Gedanken, neue Philosophien bedeuten ihm ebensoviel, wenn nicht mehr, wie ein Sack voller Gold. Kurzum, ich habe nicht die geringste Absicht, ihn irgendwie an der Führung des Unternehmens zu beteiligen. Außerdem«, fügte er sardonisch hinzu, »kommst du mir noch sehr rüstig vor, Bruder. So bald wird man dich als Leiter nicht zu ersetzen brauchen.«
    Ulrich grübelte. Jakob hätte von der Treue zur Familie reden können, von der Hoffnung, selbst noch Kinder zu haben, von der Unterordnung unter Ulrichs Autorität als ältester Bruder. All das hätte er erwähnen können, und Ulrich hätte ihm nicht geglaubt. Diese nüchterne Aufzählung jedoch wirkte rundum überzeugend.
    »Aber«, fragte er zögernd, »was macht Richard dann im Kontor? Warum kommt er hierher?«
    Jakobs Blick wurde hart. »Ich könnte dich jetzt darauf hinweisen, daß du schon vor vielen Jahren versprochen hast, meine geschäftlichen Maßnahmen nicht zu hinterfragen. Doch da du der Leiter bist … Richard hilft mir durch seine sprachlichen Fähigkeiten bei der Entwicklung eines neuen Verschlüsselungssystems für Botschaften und Briefe. Was wir bis jetzt hatten, genügt mir nicht mehr. Außerdem bereite ich ihn für ein Projekt vor, das ich im nächsten Jahr durchführen will.«
    Jakob wandte sich an Ludwig Schweriz und gab ihm mit leiser Stimme einige Anordnungen. Der Hauptbuchhalter holte einige verschnürte Rollen aus dem Karteikasten und breitete sie zwischen Jakob und Ulrich aus.
    »Was«, fragte Ulrich argwöhnisch, »ist das?«
    Jakob deutete auf die Unterschrift am Rand des obersten Blattes. »Meine Korrespondenz mit Lorenzo de'Medici.« Ulrich war zu nicht mehr als einem kraftlosen »Oh« fähig.
    »Du weißt, daß es bisher unmöglich war, außerhalb von Venedig im Einflußgebiet der Medici eine Faktorei zu eröffnen. Die Medici kontrollieren den Apennin und den gesamten Orienthandel und in Europa den Handel mit allen Arten von Geschmeiden. Doch im Reich verlieren sie jedesmal durch die Zollbestimmungen, die sich in den einzelnen Fürstentümern und Reichsstädten noch einmal verschärfen, einen erheblichen Gewinnanteil. Mein Vorschlag war nun, eine Faktorei in Florenz selbst zu eröffnen, die es den Medici ermöglicht, eine gewisse Menge ihres Goldes unter unserem Namen im Reich einzuführen. Umgekehrt werden sie hier eine Niederlassung gründen und einen Teil unserer Stoffe über die Alpen bringen und vertreiben. Du weißt, wieviel Schwierigkeiten uns der Wollhandel dort bereitet hat. Es wird also ein Gemeinschaftsunternehmen werden, wenn du so willst.«
    Ulrich starrte ihn an. Er fühlte sich ein wenig schwindlig. »Und Lorenzo ist einverstanden?«
    Es war eine überflüssige Frage. Jakob pflegte nicht über fehlgeschlagene Pläne zu sprechen. Er überging den Einwurf und fuhr fort: »Richard ist sechzehn, und dein Sohn Hänsle wird es im nächsten Januar. Was hältst du davon, wenn wir sie im Frühjahr über die Alpen schicken? Hänsle könnte in Venedig in unserer dortigen Faktorei geschult werden, und es gibt keinen Ort, an dem

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