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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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überlassen. Ich bitte dich, weist nicht alles darauf hin? Hat er je für einen seiner anderen Neffen so viel Anteilnahme gezeigt? Und durch euren verdammten Gesellschaftsvertrag kann er das auch gefahrlos tun, denn du und dein Bruder Georg haben ja widerspruchslos dabei geholfen, eure eigenen Kinder zu enterben.«
    »Jakob sagte damals, damit gingen wir sicher, daß kein Versager ans Ruder käme, und könnten unter unseren Söhnen den Begabtesten auswählen, ganz unabhängig vom Alter«, erwiderte Ulrich, doch seine Gedanken waren längst ein paar Jahre zurückgeeilt, bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem Jakob gesagt hatte: »Ich investiere in Menschen, Ulrich.«
    Und er, Ulrich, hatte sich gefragt, was Sybilles Neffe dem Unternehmen je nützen könnte …
    »Mein Gott«, stieß er entgeistert hervor. »Das kann er doch nicht tun!«
    Veronika betrachtete ihn zufrieden. »Du mußt etwas unternehmen, Ulrich.«
    Ulrich raffte sich auf. Erst jetzt bemerkte er wirklich, wie heiß es in dieser Sommernacht war. Über seinen Rücken lief Schweiß, sein Gesicht glänzte, und auch in seinem Bart hingen kleine Tropfen. »Keine Sorge«, sagte er grimmig. »Noch bin ich der Herr!«
    »Die Schweizer«, meinte Jakob und betrachtete das Brett, auf dem er mit Richard ihre abendliche Schachpartie austrug, »sind ein interessantes Völkchen mit vielen Möglichkeiten.« Er setzte seinen Springer in eine gefährliche Position zu Richards Dame. »Du warst erleichtert, als sie auftauchten. Warum?«
    Richard hatte seinen Blick bewegungslos auf das schwarzweiße Brett geheftet. Es war sehr schwierig, sich gleichzeitig mit Jakobs Schachstrategie und den Fragen zu befassen, die das Spiel jedesmal mehr verkomplizierten. Aber Richard betrachtete es als günstige Gelegenheit, seine Konzentrationsfähigkeit und seine Selbstbeherrschung zu verbessern. Und seine Selbstbeherrschung, dachte Richard, während er mit der Dame um ein paar Felder weiterzog, war offensichtlich noch durchschaubar, wenn Jakob seine Erleichterung bemerkt hatte.
    »Ich war erleichtert, daß nicht Basinger hereinkam«, antwortete er ehrlich; auch Ehrlichkeit konnte man hin und wieder als Waffe einsetzen, um zu verblüffen. »Ich dachte, er sei bei Euch in Ungnade gefallen.«
    Jakob wirkte belustigt. »Weil er einen Welser-Auftrag angenommen hat? Kaum. Ich habe ihm gesagt, er solle es tun.«
    Mit einem raschen Griff setzte er seinen Läufer in Bewegung und schlug Richards eigenen Läufer, der nun ungeschützt stand. Richard entschloß sich zur Offensive.
    »Welche Möglichkeiten seht Ihr denn in den Schweizern – ihre Zollfreiheit?«
    »Zölle«, sagte Jakob zustimmend, »sind ein bedauerliches Unglück. Wir würden wesentlich mehr Gewinn machen, wenn nicht jede Reichsstadt und jeder Fürst glaubte, auf diese Art verdienen zu müssen. Aber ich hatte eigentlich etwas anderes im Sinn.«
    Mit gerunzelter Stirn versetzte Richard einen seiner Bauern. Es sah nicht gut für ihn aus, doch er hielt sich heute abend schon mehr als zwei Stunden gegen Jakob, und das war länger als sonst. Seine Aufmerksamkeit wurde so von ihrem doppelten Geduldsspiel in Anspruch genommen, daß er weder Veronikas mörderischen Blick noch Ulrichs offene Mißbilligung bemerkte. Der ältere Fugger und seine Frau saßen in einiger Entfernung bei Tisch und warteten darauf, daß die Schachpartie endlich beendet wurde, damit man sich für die Nacht zurückziehen konnte.
    »Die Schweizer sollen gute Soldaten sein, und in ihrem eigenen Land gibt es keinen Krieg«, sagte Richard jetzt mit der Befriedigung eines Rätsellösers. »Aber sind Schweizer Söldner nicht die kostspieligsten überhaupt? Wer soll sich das leisten können?«
    »Es gibt kein Angebot ohne Nachfrage«, erwiderte Jakob und setzte seine Dame. »Schach.«
    Richard schaute auf, und zum ersten Mal gestattete er sich den Luxus eines triumphierenden Lächelns, denn diesmal war er auf Jakobs Angriff gefaßt gewesen. Er zog mit seinem Springer und brachte damit Jakobs Dame in Gefahr.
    Ulrich stand abrupt auf. Er hatte eigentlich vorgehabt, heute noch mit Jakob zu sprechen, doch der Tag im Kontor war ermüdend gewesen, und es fehlte ihm die Geduld, um abzuwarten, bis Jakob sein lächerliches Spiel mit Sybilles Neffen beendet hatte. Doch Veronika hatte recht. Die Lage nahm allmählich ernste Züge an. Morgen früh, dachte er und atmete tief durch, morgen früh.
    Jakob hörte sich ruhig an, was Ulrich zu sagen hatte. Dann lachte er schallend. »Mir fehlt

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