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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Eure Fürsorge ist verständlich und ehrt Euch. Doch Tatsache ist nun einmal, daß wir hier nicht den Köder für jeden Spitzbuben spielen können, der in der Nähe herumlungert, ganz zu schweigen von der Verspätung, die wir aufzuholen haben. Trotzdem kann Euer Schützling im augenblicklichen Zustand nicht nach Bozen gebracht werden, wo sie sicher wäre. Ihr habt sie fürs erste versorgt und Eure Pflicht getan. Warum laßt Ihr sie jetzt nicht mit ein paar Lebensmitteln hier?«
    Wäre Eberding wieder grob geworden, so hätte Richard sofort widersprochen. Doch so sah er ein, daß der Kaufmann keineswegs feindselig, sondern sogar höchst vernünftig argumentierte.
    Er schwieg lange Zeit bedrückt. Schließlich hob er den Kopf und sagte: »Meister Eberding, Ihr habt natürlich recht, aber gestattet mir einen anderen Vorschlag. Ich werde mit dem Mädchen hierbleiben, bis man sie ohne Gefahr nach Bozen bringen kann, und danach werde ich versuchen, Euch einzuholen. Falls es mir nicht gelingt, komme ich eben später als Ihr in Florenz an.«
    »Das ist wirklich das Dümmste«, donnerte Eberding, »was ich je gehört habe. Selbst wenn Ihr allein nach Bozen und von dort aus weiter Euren Weg findet, was ich bezweifle – wie wollt Ihr hier überleben?«
    »Mit Euren Vorräten selbstverständlich«, erwiderte Richard mit schwachem Lächeln, »und wenn sie nicht reichen, werde ich eben mein Glück auf der Jagd versuchen. Schließlich haben wir Frühling.«
    »Habt Ihr schon einmal gejagt?« fragte Eberding scharf.
    Richard biß sich auf die Lippen. »Ich war bei einer Jagd dabei … als der König Augsburg besuchte.«
    »Das ist ganz und gar nicht das gleiche.«
    Eberdings Stimme klang beißend. »Und einen Kampf habt Ihr auch noch nicht bestanden … Großer Gott, Ihr seid ein Zuckerlecken für jeden Banditen hier in der Gegend, und ich bin für Euch verantwortlich!«
    Schlagartig veränderte sich Richards Miene. Sein Gesicht wurde zu jener Maske, deretwegen Hänsle ihn oft geneckt hatte, und mit kühler, sachlicher Stimme sagte er: »Ihr seid keineswegs für mich verantwortlich. Ich bin ein Mann und bestimme mein Schicksal selbst. Ich werde Euch einen Brief für meinen Onkel mitgeben, in dem ich alles erkläre, damit Ihr Euch keine Sorgen zu machen braucht, falls mir etwas zustößt. Doch das wird nicht der Fall sein.«
    In der Nacht schlich sich Hänsle zu Richard, der neben dem verwundeten Mädchen saß. »Richard«, sagte er unvermittelt, »bist du sicher?« Richard nickte, ohne seinen Blick von dem Kind abzuwenden. Hänsle hüstelte.
    »Was habe ich nur getan, daß ich mit einer Familie von Starrköpfen geschlagen bin? Im Ernst, Richard … ach, ich sehe schon, es hat keinen Zweck.« Er stockte. »Ich würde ja gerne bei dir bleiben, aber …«
    »Ich verstehe schon«, sagte Richard beruhigend. »Außerdem bekäme der arme Eberding dann wohl einen Wutanfall, den er nicht mehr überleben würde. Besser, du gehst mit ihm, Hänsle. Grüß mir Venedig.«
    Sie unterhielten sich leise noch etwas, und als Hänsle sich zu seinem Lager zurückgezogen hatte, umfaßte Richard wieder die Hand des Zigeunermädchens. Sie hatte ein schmales, zartes Handgelenk, und er konnte ihren Pulsschlag fühlen. Er betrachtete die schwarzen, kurzen Locken, das Gesicht mit dem energischen Kinn, der breiten Stirn, auf der Schweißtropfen glänzten. Sie war so mager, daß sie bereits lange vor dem Überfall gehungert haben mußte. Er preßte ihre Hand fester, versuchte, ihr etwas von seiner Lebenskraft abzugeben.
    »Du wirst leben!«

16
    A M NÄCHSTEN T AG , als die anderen mit dem größten Teil seines Gepäcks weitergereist waren – so würde es ihn später nicht unnötig behindern – und er dem Kind mühsam ein wenig heißes Wasser mit Kräutern eingeflößt hatte, verließ er die Hütte kurz, um auch die Umgebung nach heilenden Gräsern und ähnlichem abzusuchen. Doch leider war die Jahreszeit noch nicht weit genug fortgeschritten.
    Als er zurückkam, untersuchte er als erstes ihre Verbände und stellte erleichtert fest, daß kein Wundbrand eingetreten war. Er erinnerte sich, daß seine Mutter gesagt hatte, der Klang einer Stimme, das Bewußtsein, nicht alleine zu sein, würde selbst Kranken im Delirium helfen, und begann, mit ihr zu sprechen.
    Er erzählte ihr von sich, und dann erzählte er ihr alle Geschichten, die ihm einfielen, Sagen, Legenden, die Epen, die er gelesen hatte, und die jetzt zusammen mit seinen übrigen Habseligkeiten auf dem

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