Die Puppenspieler
Diebesgesindel, so daß es mich wundert, daß sie sich mit den Räubern nicht verbrüdert haben.«
Richard lag eine hitzige Entgegnung auf der Zunge, doch in diesem Moment entdeckte er etwas, das ihn seinen Zorn, der angesichts von Eberdings Kaltschnäuzigkeit vor den Toten in ihm aufgestiegen war, sofort vergessen ließ.
»Meister Eberding – da, dort drüben, da hat sich etwas bewegt. Es lebt noch jemand!«
Auch Eberding lief nun ohne zu zögern auf die Stelle zu, auf die Richard gewiesen hatte. Halb versteckt hinter dem umgestürzten Wagen lagen dort ein alter Mann und ein Kind, das Richard auf etwa zehn Jahre schätzte. In dem Bart des Alten sickerte Blut, und er hatte schwere Wunden auf der Brust, doch seine Hand bewegte sich etwas, und das Kind stöhnte.
Während Eberding neben dem Mann niederkniete und ihn flüchtig untersuchte, versuchte Richard, das Kind aus den Armen des Alten zu lösen. Es hatte dichtes, schwarzes und kurzgeschnittenes Haar, ein spitz zulaufendes, mageres Gesicht, und als Richard seine Schulter berührte, hob es die Lider.
Richard blickte in Augen von einem strahlenden, reinen Grün, wie er es noch nie erlebt hatte. Das Kind murmelte irgend etwas, das er nicht verstand, dann senkten sich die Lider wieder, und er merkte, daß seine Hand blutig war.
»Wir müssen ihnen helfen!«
Eberding richtete sich auf und sagte seltsam mitleidig: »Der alte Mann wird sterben, wahrscheinlich schon innerhalb der nächsten Stunde.«
»Das könnt Ihr nicht mit Gewißheit sagen, und selbst wenn es wahr ist, dann müssen wir zumindest versuchen, wenigstens das Mädchen zu retten!«
Die letzte Aussage brachte ihm einen verdutzten Blick des Kaufmanns ein. »Das Mädchen? Woher wollt Ihr wissen, daß dieses Kind ein Mädchen ist?«
»Ich weiß es eben.«
Er konnte es sich auch nicht erklären. Das Kind trug Hosen und ein weites Hemd, das seinen Körperbau verbarg, doch von dem Moment an, als es ihn angesehen hatte, war er sicher gewesen, einem Mädchen in die Augen geblickt zu haben.
Schließlich einigte er sich mit Eberding darauf, das Mädchen und den Alten vorsichtig zur nächsten Hütte zu bringen. Richard hob das Mädchen hoch. Wenn er nicht ihre schwachen Atemzüge gehört hätte, wäre er sicher gewesen, sie sei tot.
Glücklicherweise dauerte es nicht lange, bis sie die Hütte erreichten, doch als sie abgesattelt hatten und bereits eifrig ein Feuer geschürt wurde, wandte sich Eberding an Richard. »Wie ich gesagt habe – der Alte ist tot, und das Kind wird bestimmt auch sterben, wenn es nicht völlig ruhig liegt. Wir müssen es hier lassen.«
Richard hatte das Mädchen gerade auf einem eilig bereiteten Lager hingelegt und wollte Wasser holen, um ihre Wunden zu reinigen und sie zu verbinden.
»Natürlich bewegen wir sie nicht weiter«, sagte er verwundert, »wir werden hier warten, bis sie soweit ist, daß sie mit uns weiterziehen kann.«
Eberding explodierte fast.
»Ach, gebt Ihr jetzt die Befehle hier? Laßt Euch gesagt sein, Herr Richard, daß ich meinen Zug nicht wochenlang wegen eines Zigeunerbalgs gefährde und …«
Hänsle mischte sich begütigend ein. »Sprechen wir doch später darüber«, sagte er ruhig, »sollten wir nicht erst den alten Mann beerdigen und die anderen?«
Widerwillig stimmte Eberding ihm zu. »Es sind zwar Zigeuner, doch es ist unsere Christenpflicht.«
Richard hatte gehofft, der Alte würde überleben, doch nun hielt er es für wichtiger, sich um das Mädchen zu kümmern. Als er ihr zögernd das Hemd über den Kopf streifte, um sie zu waschen, entdeckte er, daß sie doch älter sein mußte, als er gedacht hatte. Mindestens dreizehn. Er setzte sich hastig so, daß sie von den Blicken seiner Begleiter abgeschirmt war. Nachdem er die Reinigung beendet hatte, verband er ihre Wunden mit sicheren Griffen, als habe er nie etwas anderes getan. Sie hatte eine böse Verletzung an der Schulter und eine am linken Unterschenkel, doch das war alles, was man mit dem bloßen Auge erkennen konnte. Allerdings sprach sie im Wundfieber wirres, unverständliches Zeug, und als er ihr die Hand auf die Stirn legte, war sie glühend heiß.
Eberding hatte zwei der Bewaffneten befohlen, vor ihrer Unterkunft Wache zu halten, falls sich noch Räuber in der Nähe befanden. Nun näherte er sich Richard, der einen der Mitreisenden um Rat fragte, welche Arzneien für das Mädchen zur Hand seien.
»Hört, Richard«, sagte Anton Eberding nicht unfreundlich, »Ihr seid noch sehr jung, und
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