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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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eine Woche warten wollt«, erklärte er, an Anton Eberding gewandt, »dann könntet Ihr Euch einem Transport nach Venedig anschließen.«
    Eberding schüttelte den Kopf. »Mit Silber zu reisen, verzögert nur alles und erhöht die Gefahr, und wir haben es eilig. Außerdem muß ich diesmal Kindermädchen spielen, wie Ihr seht.«
    »Kindermädchen«, grollte Hänsle noch, als sie gemeinsam eine saftige Schweinshaxe verzehrten, »ich möchte wissen, für wen er sich hält. Für Methusalem vielleicht?«
    Als sie Innsbruck wieder verließen, trug mittlerweile jedes Mitglied der Reisegruppe eine Lammfellweste gegen die zu erwartende Kälte.
    »Es mag zwar Frühling sein«, warnte der Leiter der Innsbrucker Faktorei, als er sie verabschiedete, »doch denkt an die Lawinen, die gerade jetzt auf Euch warten!«
    Richard hatte noch nie eine Lawine erlebt und nur eine sehr ungenaue Vorstellung davon, die er den Berichten anderer Reisender verdankte. Zunächst verlief ihre Reise fast enttäuschend ereignislos; sie nahmen die alte Paßstraße der Römer, den Brenner, die so breit angelegt war, daß selbst größere Wagen keine echten Hindernisse zu bewältigen hatten. Richard kamen die Befestigungen, welche die Straße gegen den Berg abstützten, zu neu vor, um noch von den Römern zu stammen, und er erkundigte sich bei Eberding danach.
    »Eines der letzten Unternehmen, die noch unter Herzog Sigismund durchgeführt wurden, bevor er sich, hm, von der Regierung zurückzog. Ihm wurde damals geraten, den Weg für die Erztransporte nach Venedig zu erleichtern, und also ließ er die Römerstraße erneuern.«
    Als das Eis der gefrorenen Bäche nicht mehr auf sie zustürzte, sondern mit ihnen ins Tal hinunterstrebte, wußte Richard, daß der Abstieg begonnen hatte und glaubte, daß die Alpen nun keine Überraschungen mehr für sie bereithielten. Er hätte sich nicht mehr irren können.
    Eberding hatte eigentlich vor, weiter der alten Handelsroute zu folgen und über Brixen nach Bozen zu ziehen. Sie hatten gerade den Ort Sterzing hinter sich gelassen, als sich plötzlich ein fernes, leises Rauschen bemerkbar machte. Richard spürte es mehr, als er es hörte; die Luft schien sich zu verändern, zu zittern. Er blickte zu Eberding und sah, daß der Mann blaß geworden war.
    »Allmächtiger«, murmelte er, »es ist soweit!« Er drehte sich um und schrie: »Alles sofort anhalten! Eine Lawine wird hier in der Nähe heruntergehen.«
    Trotz der sich breitmachenden Panik konnte es sich Richard nicht versagen, zu fragen: »Woher wißt Ihr, daß sie nicht genau hier herunterkommen wird?«
    »Das Geräusch«, entgegnete Eberding grimmig, »und außerdem weiß ich es nicht, ich hoffe es nur.«
    Inzwischen hatte sich das Rumoren zu einem lauten Donnern entwickelt. Die Pferde begannen zu scheuen, und einige der Knechte gerieten in Panik.
    »Es hat keinen Zweck, zurückzureiten«, schrie Eberding, »sie kann auch hinter uns liegen!«
    Unverwandt blickte er zu dem Berghang hoch. Dort sah man nichts, doch inzwischen bebte die Erde. Das Tosen wurde lauter, lauter, bis es fast unerträglich war. Instinktiv warf Richard sich auf die Erde.
    Dann herrschte mit einem Mal Stille, eine unheimliche, atemlose Stille. Er spürte den kalten Boden unter sich, richtete sich langsam wieder auf und bemerkte, daß die anderen es ihm gleichgetan hatten. Keiner sprach; man hörte nur das schwere, hastige Keuchen. Die Stille war vielleicht noch schrecklicher als das Toben der Elemente. Endlich sagte einer der Männer: »Gott hat uns verschont.«
    Eberding bekreuzigte sich. »Amen. So ist es. Doch ich fürchte, der Paß ist verschüttet. Wartet hier; ich werde vorausreiten und nachsehen.«
    Richard lief schnell zu seinem Pferd. »Meister Eberding, darf ich mit Euch kommen?«
    Anton Eberding musterte ihn einen Moment lang. »Schön«, knurrte er schließlich, »warum nicht?«
    Schon nach wenigen Minuten zeigte sich, daß Eberding recht gehabt hatte. Richard hielt den Atem an. Ungeheure Schneemassen türmten sich vor ihnen auf, und in ihnen eingeschlossen waren Felsblöcke, Tannen, Fichten manchmal von der Größe eines Hauses, die entwurzelt und mitgerissen worden waren, als seien sie bloße Grashalme.
    »Es sieht aus wie das Jüngste Gericht!«
    Eberding beschäftigten praktischere Überlegungen. »Wir würden Tage brauchen, um uns da mit unserem Wagen durchzuschaufeln«, schloß er. »Das beste wird sein, umzukehren und den Jaufenpaß zu nehmen.«
    Der Jaufenpaß erwies sich

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