Die purpurnen Flüsse
Niéman s stric h über winzig e Kuppeln , fasrig e Flächen , samtige , nachgiebig e Kisse n – ein Miniaturdschungel , de r ih m verkündete , w o de r Norde n lag.
Mühsa m rappelt e e r sic h au f un d folgt e de m We g de r Moose . Er schwankte , zertra t Erdschollen , un d sei n Her z klopft e ih m bi s zum Hals . Durc h morastig e Pfützen , zwische n scharfkantige r Bork e und nadelspitze n Zweige n hindurc h stolperte n sein e Füß e übe r Steine, niedrige s Gestrüpp , umgefallen e Baumstämme , un d imme r wieder vergewissert e e r sich , o b e r noc h i n di e richtig e Richtun g ging . Dann wiede r gerie t e r i n Sumpfgebiete , überzoge n vo n eine r dünnen, knisternde n Eisschicht , di e sic h durc h di e brackige n Furchen zwische n de n Hügelkämme n zogen . Trot z seine r Erschöpfung , trotz seine r Verletzunge n ka m e r schnelle r voran , al s e r erwarte t hatte , und schöpft e neu e Kraf t au s de n Düften , di e i n de r Luf t hingen . E s schien ihm , al s marschiert e e r vo r de m Rege n her , de r kur z innegehalten hatte , wi e u m Ate m z u holen.
Endlic h taucht e ein e Straß e vo r ih m auf.
De r naßglänzend e Asphal t wa r sein e Rettung . Wiede r beugte Niéman s sic h niede r un d betastet e di e Seitenfläche n der Pflastersteine , u m sein e Richtun g z u bestimmen . Doc h i n diesem Momen t taucht e i n eine r Kurv e di e Rettun g auf : ein Mannschaftswage n de r Gendarmerie . E r stellt e sic h au f di e Straße. De r Wage n hiel t sofor t an . Männe r sprange n heraus , u m Niéman s zu stützen , de r eine r Ohnmach t nah e wa r un d imme r noc h sei n Gewehr umklammerte.
Leichenbla ß un d schwanken d stan d e r da , spürt e de n feste n Griff de r Gendarmen , hört e Stimmfetzen , Geschrei , da s Raschel n von Regenmänteln . Scheinwerfe r durchschnitte n di e Dunkelheit . Ein Man n brüllt e de m Fahre r zu : »In s Krankenhaus , schnell! « Niémans, nu r noc h hal b be i Bewußtsein , stammelte : »Nein . Zu r Universität.«
»Wi e bitte ? Si e mache n mi r abe r eine n ziemlic h ramponierten Eindruck , un d e s wär e siche r besse r …«
»Zu r Universität . Ic h … bi n dor t verabredet.«
50
Di e Tü r öffnet e sic h vo r eine m lächelnde n Gesicht . Pierr e Niémans senkt e di e Augen . E r nah m di e kräftigen , dunkle n Handgelenk e der Fra u wahr , di e engmaschige n Pulloverärme l darüber , un d sei n Blick wandert e aufwärt s au f de n Kragen , de n Nacke n zu , w o run d u m die Mass e de s Knoten s di e abstehende n Härche n sic h s o fei n kräuselten, da ß si e i m Lich t eine n schimmernde n Ho f bildeten . E r dacht e a n den Zaube r diese r Haut , s o schön , s o samti g un d gleichmäßig , da ß sie jede s Material , jede s Kleidungsstüc k i n eine n Schmuc k verwandelte. Fann y gähnte . »Si e komme n abe r spät , Her r Kommissar. « Niémans versucht e z u lächeln . »Habe n Si e den n nich t geschlafen?«
Di e jung e Fra u schüttelt e de n Kop f un d rückt e zu r Seite . E r tra t ins Licht , un d Fanny s Gesich t erstarrte : Ers t jetz t sa h sie , wi e übe l er zugerichte t war . Si e mustert e ih n vo n Kop f bi s Fuß , de n triefend nasse n blaue n Mantel , di e zerfetzt e Krawatte , di e aufgeschürfte Stirn . Un d di e tief e Wund e übe r de m Ohr . »Wa s is t passiert ? Ein Unfall? « Niéman s nickt e kurz . E r sa h sic h i m Zimme r um , dem Wohnzimme r diese s kleine n Appartements . Durc h di e Nebelschleier de s Fiebers , da s Hämmer n de s Blute s i m Kop f verspürt e e r nur Erleichterung , hie r z u sein . Makellos e Wänd e i n sanfte n Farben . Ein Schreibtisch , übersä t vo n Bücher n un d Papieren , zwische n dene n ein Compute r stand . Au f de n Regale n Stein e un d Kristalle . Alpine Ausrüstung , Kleidun g i n Neonfarben , übereinandergestapelt . Die Wohnun g eine s junge n Mädchens , da s seßhaf t un d sportlich, häuslic h un d abenteuerlusti g zugleic h war . Sekundenlan g ka m ihm de r Abstie g i n di e Gletscherspalt e i n de n Sinn . Ein e Erinnerun g so kur z wi e ei n eisige r Blitz.
Niéman s sackt e au f eine m Stuh l zusammen . Drauße n hatt e es wiede r z u regne n begonnen . Ma n hört e di e Tropfen , di e irgendwo auf s Dac h prasselten , gedämpft e Geräusch e au s einer Nachbarwohnung . Ein e Tü r knarzte . Schritte . Ein e Nach t i n de r Welt de r vereinsamten , beunruhigte n Studenten . Fann y zo g ih m den Mante l au s un d mustert e aufmerksa m di
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