Die purpurnen Flüsse
i n de r Hand, wiederholt e sein e Frage : »Wi e könne n Si e siche r sein , da ß e s sich u m denselbe n Man n handelt , solang e di e Identitä t de s Opfer s nicht festgestell t wurde?«
Barne s blättert e ein e Weil e i n eine r Aktenmappe , dan n antwortete er : »Wege n de r Ähnlichkeit.«
»Welche r Ähnlichkeit?«
Barne s legt e Niéman s da s Fot o eine s junge n Manne s mit schmale m Gesicht , kurzgeschorene n Haare n un d auffälli g sanften dunkle n Auge n hin , de r beflisse n lächelte . I n diese m Gesich t la g ein jugendlicher , beinah e kindliche r Ausdruck , zugleic h abe r eine spürbar e Nervosität . De r Kommissa r betrachtet e da s Fot o und begriff , wa s Barne s mi t seine r Bemerkun g meinte : Diese r Man n hatte tatsächlic h ein e gewiss e Ähnlichkei t mi t Rém y Caillois , de m ersten Opfer . Dasselb e Alter , dieselbe n hagere n Gesichtszüge , derselbe Haarschnitt . Zwe i jung e Männer , seh r schlan k un d gutaussehend, dere n Mien e jedoc h eine n innere n Aufruh r verriet.
»Da s is t ei n Serie , Kommissar.«
Niéman s tran k eine n Schluc k Kaffe e un d hatt e da s Gefühl , als müss e sein e noc h imme r eisig e Kehl e unte r de r Berührun g mi t der heiße n Flüssigkei t zerbersten . E r schaut e auf . »Wi e bitte?«
Barne s tra t vo n eine m Fu ß au f de n anderen , un d sein e Schuhe knarzte n hörbar , wi e di e Deckplanke n eine s Schiffs . »Ic h habe natürlic h nich t Ihr e Erfahrung , abe r … Also , wen n da s zweit e Opfer tatsächlic h Philipp e Serty s ist , dan n kan n kei n Zweife l mehr bestehen , da ß e s sic h u m ein e Seri e handelt . U m eine n Serienmörder, mein e ich . E r such t sic h sein e Opfe r nac h de m Aussehen . Diese s … diese s Gesich t erinner t ih n offensichtlic h a n irgendei n Traum a …«
Barne s verschlu g e s di e Sprache , al s e r de n wütende n Blic k des Kommissar s bemerkte . Niéman s versuchte , sein e ungestüme Reaktio n durc h ei n betonte s Lächel n z u mildern . »Capitaine , wir werde n dies e Ähnlichkei t nich t z u eine m Roma n aufbauschen . Vor alle m nich t jetzt , w o wi r noc h ga r nich t wissen , we r da s Opfer überhaup t ist.«
»Ic h … Si e habe n natürlic h recht.«
Nervö s scho b de r Gendar m sein e Akt e hi n un d her , di e das gesamt e Lebe n de r Stad t z u enthalte n schien . E r wirkt e verwirr t und zugleic h i n höchste m Ma ß erregt , un d Niéman s meint e i n großen Leuchtbuchstabe n sein e Gedanke n lese n z u können : »Ein Serienmörde r i n Guernon! « Barne s würd e vermutlic h bi s z u seiner Pensionierun g un d darübe r hinau s ei n seelische s Trauma zurückbehalten.
»Wi e wei t is t di e Bergrettung? « fragt e Niémans . »Si e werde n die Leich e bal d herausziehen . Da s Ei s ha t sic h wiede r darüber geschlossen . Nac h Ansich t de r Kollege n wurd e de r Man n i n der letzte n Nach t dor t hinaufgeschafft . Nu r be i seh r niedriger Temperatu r konnt e e r derar t in s Ei s einwachsen.«
»Wan n könne n wi r dami t rechnen , de n Tote n z u bergen?«
»Ein e Stund e wir d e s mindesten s noc h dauern , Kommissar . Tut mi r leid.«
Niéman s stan d au f un d öffnet e da s Fenster , un d ei n Schwal l Kälte dran g in s Zimmer . Achtzeh n Uhr.
Übe r di e Stad t senkt e sic h scho n di e Nacht , ei n dichte r Schatten, de r langsa m di e Schindeldäche r un d Holzgiebe l verschluckte . Wie ein e Schlang e zwische n Steine n verschwan d de r Flu ß i n der Dunkelheit.
De r Kommissa r fro r i n seine m dicke n Pullover . Dieses Provinzlebe n wa r nicht s fü r ihn . Vo r alle m nich t i n diese r Provinz: vergrabe n zwische n Bergen , vo n Kält e un d Stürme n gebeutel t und da s halb e Jah r vo n graubraune m Schneematsc h un d klirrenden Eiszapfe n verfolgt . Ein e verschlossene , feindselige , verbittert e Welt, di e sic h i n ih r Schweige n hüllte , wi e de r Ker n eine r tiefgefrorenen Frucht.
»Wi e wei t sin d wi r nac h zwöl f Stunde n Fahndung? « fragt e er, währen d e r sic h z u Barne s umdrehte.
»Nirgendwo . Di e Nachforschunge n habe n nicht s ergeben . Kein Landstreicher . Kei n entlassene r ode r entsprungene r Häftling , dessen Profi l mi t de m de s Mörder s übereinstimmt . Auc h di e Überprüfung vo n Hotels , Rasthäusern , Eisenbahne n wa r ergebnislos . Ebens o wie di e Straßensperren.«
»Un d di e Bibliothek?«
»Di e Bibliothek?«
Nac h de r Entdeckun g eine r zweite n Leich e ware n di e Büche r
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