Die purpurnen Flüsse

dritte n brauche n Si e nich t meh r mi t mi r z u rechnen.«
    »De r dritten?«
    »Leiche.«
    »Erwarte n Si e den n weiter e Morde?«
    »Si e nicht?«
    De r schmerzlich e Ausdruc k i n Niémans ’ Gesich t entgin g ihr offensichtlic h nicht , den n si e fügt e leis e hinzu : »Entschuldige n Sie. Ironi e is t fü r mic h ein e Ar t Ventil.«
    Dami t klopft e si e au f di e Ban k nebe n sich , al s fordert e si e ei n Kind auf , sic h z u ih r z u setzen . Niéman s folgt e ihre r Einladung . De n Kopf zwische n di e Schulter n gezogen , di e Arm e verschränkt , stampft e er leich t mi t de n Füßen.
    »Ic h wollt e Ihne n danken« , murmelt e e r zwische n de n Zähnen.
    »Ohn e Si e wär e ic h i n diese m Gletsche r …«
    »Ic h hab e nu r mein e Roll e al s Bergführeri n erfüllt.«
    »Da s stimmt . Nich t nu r habe n Si e mi r da s Lebe n gerettet , sondern Si e habe n mic h exak t dorthi n geführt , wohi n ic h wollt e …«
    Fanny s Mien e wurd e ernst . Gendarme n eilte n durc h de n Flur.
    Donnernd e Stiefe l un d raschelnde s Ölzeug . »Wi e wei t sin d Sie denn? « fragt e sie . »Mi t Ihre n Ermittlungen , mein e ich . Waru m diese unglaublich e Gewalt ? Waru m dies e … Perversität? « Niémans versucht e z u lächeln , doc h de r Versuc h mißlang . »Wi r trete n au f der Stelle . Alles , wa s ic h weiß , is t das , wa s mei n Gefüh l mi r sagt.«
    »Nämlich?«
    »Da ß wi r e s vermutlic h mi t eine m Serienmörde r z u tu n haben.
    Abe r nich t i m übliche n Sin n – da s is t kei n Mörder , de r seine Zwangsvorstellunge n ausleb t un d meh r ode r minde r auf s Geratewohl zuschlägt . Dahinte r steck t ei n gan z bestimmte s Motiv . Präzis e und rational.«
    »Welch e Ar t vo n Motiv?«
    E r sa h si e an . Di e Schatte n de r vorübergehende n Wachposten streifte n ih r Gesich t wi e Vogelschwingen . »Da s wei ß ic h nicht . Noch nicht.«
    Si e verstummten . Nac h eine r Weil e zündet e Fann y sic h eine Zigarett e a n un d fragt e unvermittelt : »Wi e viel e Jahr e sin d Si e schon be i de r Polizei?«
    »Knap p zwanzig.«
    »Wa s ha t Si e z u Ihre r Wah l bewogen ? Di e Aussicht , Schurke n zu verhaften?«
    Niéman s lächelte , diesma l aufrichtig . Au s de m Augenwinke l sa h er ein e neu e Trupp e hereinkommen , di e Mänte l na ß vo m Regen . An ihre n Miene n erkannt e er , da ß si e nicht s gefunde n hatten . Sei n Blick kehrt e z u Fann y zurück , di e tie f de n Rauc h inhalierte . »Wisse n Sie, i n de r Praxi s verliere n sic h Motivatione n diese r Ar t ziemlic h schnell. Außerde m – Gerechtigkei t un d da s ganz e Beiwerk , da s ha t mic h nie gejuckt.«
    »Wa s war’ s dann ? Di e Bezahlung ? De r sicher e Arbeitsplatz?« Niéman s wundert e sich . »Komisch e Vorstellunge n habe n Sie« , sagte er . »Nein , ic h glaube , e s gin g mi r u m das , wa s ma n dabe i empfindet, wa s ma n erlebt.«
    »Di e Sort e vo n Abenteuern , di e wi r gerad e hatten?«
    »Zu m Beispiel.«
    »Verstehe« , sagt e si e spöttisc h un d stie ß de n Rauc h aus . »Ein Man n de r Extreme . De r seine m Lebe n Bedeutun g verleiht , inde m er e s jede n Ta g auf s Spie l setz t …«
    »Wies o nicht?«
    Fann y imitiert e di e Haltun g de s Kommissar s – di e Schulter n nach vor n gebeug t un d di e Händ e wi e zu m Gebe t gefaltet . Si e lacht e nicht mehr , sonder n schie n z u ahnen , da ß hinte r diese n Redensarte n eine tiefer e Wahrhei t steckte . »Ja , wies o nicht? « murmelt e sie , die Zigarett e i m Mundwinkel . Niéman s senkt e de n Blic k un d musterte übe r de n Brillenran d di e Händ e de r junge n Frau . Kei n Ring . Nur Pflaster , Narben , Risse . Al s wär e dies e Bergsteigeri n mi t den Elemente n verheiratet , mi t de r Natur , de n existentielle n Erfahrungen.
    »Nieman d kan n eine n Poliziste n verstehen« , sagt e er.
    »Geschweig e den n beurteilen . Wi r bewege n un s i n eine r brutalen, unzusammenhängenden , gefährliche n Wel t mi t feste n Grenzen . Wer außerhal b lebt , versteh t si e nicht . Un d we r i n ih r lebt , verliert jeglich e Objektivität . Da s is t di e Wel t de r Bullen . Ei n abgeriegeltes Universum . Mi t Stacheldrah t eingezäunt . Unbegreiflich . Abe r eines steh t fest : Di e Bürokraten , di e nich t einma l da s Risik o eingehen würden , sic h di e Finge r i n de r Autotü r einzuklemmen , habe n uns nicht s beizubringen.«
    Fann y richtet e sic h auf , fuh r sic h mi t beide n Hände n i n di e Haare un d stric