Die purpurnen Flüsse
Ei s eingeschlosse n sind. « Niémans staunte . Fann y schultert e ihre n Rucksac k un d kniet e a m Ran d der Gletscherspalt e nieder . Si e trie b di e erst e Schraub e in s Ei s und hängt e eine n Karabine r i n di e Öse , durc h de n si e ei n Sei l zog . Sie war f eine n letzte n Blic k au f de n stürmische n Himme l un d sagte übermütig : »Willkomme n i n de r Zeitmaschine , Her r Kommissar.«
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Si e mußte n sic h mehrer e Mete r tie f abseilen . Niéman s hin g mit de m Abseilachter , de r mi t eine m Karabine r a n seine m Gur t befestigt war , a n eine m doppelte n Seil , zu r Sicherun g dient e ei n Prusikknoten. U m sic h hinabzulassen , mußt e e r nu r mi t eine r Han d de n Knoten nac h unte n schieben , währen d e r mi t de r andere n da s los e Sei l führte. Sobal d e r losließ , blockiert e de r Prusikknoten , un d e r baumelt e in seine m Sitzgurt . Au f dies e einfache n Geste n konzentriert , achtet e er au f Fanny s Kommandos , di e ih n einig e Mete r unterhal b anwies, wan n e r sic h wiede r ei n Stüc k herunterlasse n konnte . Mi t al l diesen Seile n un d Verzweigungen , a n dene n e r hing , fühlt e sic h Niémans wi e ein e Ar t Krak e erinnert , desse n Tentake l klingelte n wi e ein Weihnachtsschlitten.
Währen d e r sic h abseilte , konnt e e r di e jung e Fra u nich t sehen, doc h e r wußt e si e unte r sich , hört e si e ei n Stüc k tiefe r Schraube n in di e Gletscherwan d treibe n un d vertraut e fraglo s ihre r Erfahrung . In diese m Augenblic k dacht e e r nichts . Durc h sein e Konzentration drange n nu r seh r gemischte , lebhaft e un d neuartig e Empfindungen, de r kalt e Hauc h de r Wand , de r Druc k de s Sitzgurts , de r seinen Körpe r i n de r Schweb e übe r de m Abgrun d hielt , di e Schönhei t des Eises , da s dunkelbla u leuchtet e wi e ei n Stüc k Nacht , da s dem Firmamen t entrisse n worde n war . De n Himme l konnte n si e bald nich t meh r sehen . Si e passierte n di e vorgeschobene n Rände r und drange n in s Inner e de r Gletscherspalt e vor . Niéman s hatt e das Gefühl , al s taucht e e r i n de n gefrorene n Bauc h eine s ungeheuren Tieres . Unte r diese r eisige n Glock e au s hunder t Prozen t Feuchtigkeit schärfte n sic h sein e Sinne , un d jed e Empfindun g wurd e überdeutlich. Verstohle n bewundert e e r di e dunklen , durchscheinende n Wände, vo n dene n ei n innere s Strahle n ausging , wi e ei n Nachklan g des Tageslichts . I n de r Dunkelhei t hallt e jede r einzeln e Handgrif f wi e in eine r Höhle.
Schließlic h setzt e Fann y de n Fu ß au f ein e Ar t Laufsteg , der beinah e horizonta l di e Wan d entlangführte , un d kur z nac h ihr erreicht e auc h Niéman s dies e natürlich e Stufe . Di e beide n Wänd e der Gletscherspalt e ware n wiede r enge r zusammengerück t un d nu r noch ei n paa r Mete r voneinande r entfernt . »Komme n Si e näher« , befahl sie.
Niéman s gehorchte , un d Fann y hantiert e a n de r Lamp e au f seinem Schutzhel m – Niéman s hätt e schwöre n können , da ß si e ein Feuerzeu g angezünde t hatt e – , un d sofor t flammt e ei n intensives Lich t auf . De r Reflekto r au f ihre m Hel m war f ih m wiede r sein eigene s Spiegelbil d zurück , überstrahl t vo n de r Azetylenflamme , die wi e ei n umgedrehte r Kege l aussa h und , verstärk t durc h den Hohlspiegel , ei n grelle s Lich t verbreitete . Tasten d zündet e Fanny ihr e eigen e Lamp e a n un d murmelte : »Wen n Ih r Mörde r i n dieser Spalt e war , dan n ka m e r hie r vorbei.«
Niéman s sa h si e verständnislo s an . De r horizontal e Strah l seiner Lamp e verzerrt e da s Gesich t de r Frau , verwandelt e e s i n ein Wechselspie l au s scharfe n Schlaglichter n un d beunruhigenden Schatten.
»Wi r sin d jetz t s o tief , wi e Si e wollten« , fuh r si e for t un d deutete au f di e glatt e Fläch e de r Wand . »Dreißi g Mete r unte r de r Kupp e – hie r finde n Si e de n kristallisierte n Schne e au s de n sechzige r Jahren un d frühe r …«
Fann y zo g ei n neue s Sei l hervo r un d trie b mi t ei n paar Hammerschläge n ein e Rohrschraub e i n di e Wand , hängt e einen Karabine r i n di e Ös e un d dreht e di e Schraub e mi t energischen Bewegunge n fes t wi e eine n Korkenzieher . Niéman s staunt e immer wiede r übe r di e Kraf t diese r Frau . E r betrachtet e di e Eissplitter , die au s de m Bohrloc h hervorspritzten , un d dachte , e r kannt e wenig Männer , di e z u vergleichbare n Leistunge n
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