Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
Ich entschied mich daher für mittelfestlich, bequem, mit hochgesteckten Haaren und auffälligem Ohrgehänge.
„Donnerwetter,“ murmelte Mark, „was man aus so einem Karbolmäuschen alles machen kann.“
Das kostete ihn einige Sympathiepunkte. Im übrigen hörte ich über seine flapsige Äußerung hinweg.
„Sag mal,“ fragte ich, „wohin fahren wir eigentlich?“
„Nach Wiesbaden zu Krautermanns. Wusstest Du das nicht?“
„Nein,“ antwortete ich, „ich kenne hier sowieso niemanden. Insofern ist es auch egal, zu wem und wohin es geht.“
Krautermann hatte heute Geburtstag. Er wurde 65 Jahre alt und wollte sich ganz aus dem Geschäft zurückziehen. Er hatte Verwandte und einige Freunde eingeladen, ein sogenannter „kleiner Kreis“. Schließlich wurden es aber doch mehr Leute als geplant, denn Jochen, der jetzt die Geschäfte alleine führen sollte, hatte darum gebeten, noch einige gute Kunden einzuladen. Krautermann, der ihn immer gefördert hatte, tat ihm den Gefallen, zumal Jochen jetzt seine Altersversorgung war. Wenn Läden und Hotel gut liefen, würde Krautermann davon profitieren.
Die Villa der Krautermanns war im Vergleich zu den Protzpalästen der Nachbarschaft eher bescheiden, aber ich liebte sie sofort. Von außen eher gesichtslos war sie innen mit großer Liebe ausgestattet: wunderschöne Parkettböden, Stuckdecken, Holzvertäfelungen und eine Einrichtung, in der man wirklich wohnen konnte. Und dann dieses riesige parkähnliche Grundstück! Herrliche alte Bäume und Kieswege, die zu Bänken führten, auf denen ich gern einen ganzen Urlaub verbracht hätte. Vor der Terrasse ein kleiner künstlicher Teich mit Springbrunnen, bunte Blumenbeete verstreut in einer Graslandschaft. Diese wechselte von einem gut gepflegten Rasen zu Büscheln von naturbelassenen Gräsern, die schließlich in Wildwuchs übergingen.
„Da kommt Herr Dr. Weingartner mit Freundin,“
der alte Herr strahlte uns aus blauen Augen an. Er begrüßte uns herzlich und ich überreichte einen Blumenstrauß, den Mark für mich besorgt hatte.
„Hulla,“ rief Krautermann, „komm her, hast Du noch eine Vase für diesen schönen Strauß? Das ist meine Frau,“ stellte er das weibliche Wesen vor, das er Hulla genannt hatte.
Hulla, wie ich erfuhr seine Koseform für Ursula, wirkte sehr einfach und ein wenig unbedarft, strahlte aber eine unendliche Güte aus. Sie huschte diensteifrig herum. Jochen hatte mir in leicht verächtlichem Ton von ihr erzählt. Tagsüber sei sie im Geschäft mit tätig gewesen, hatte nebenbei, wenn auch mit Personal, den Haushalt gemanagt, und abends ihrem Mann die Pantoffeln gebracht.
„Trinken Sie ein Gläschen Sekt,“ sagte sie, fasste mich am Arm und zog mich zu einem Tisch, auf dem Gläser standen und in einem Kühler mehrere Flaschen eines äußerst edlen Champagners ruhten.
„Am besten, Sie machen sich selbst bekannt. Weingartner hilft Ihnen dabei,“ schlug Krautermann vor, und schob uns die Terrassenstufen hinunter.
Es hatte wieder geklingelt, und neue Gäste kamen mit „Hallo“ herein.
Ich versuchte, unauffällig Jochen mit Frau zu entdecken, konnte sie aber nicht sehen. Unter einer riesigen Blutbuche waren Tische und Stühle aufgestellt. Einige weißgekleidete junge Männer mit großen Kochmützen waren damit beschäftigt, das Buffet vorzubereiten, während die Gäste sich in Gruppen mit ihren Champagnergläsern zusammengefunden hatten.
„Laß uns einfach ein bisschen herumgehen,“ bat ich Mark.
„Ich muss diesen Garten erst einmal in mich aufnehmen. Im Augenblick ist mir nicht nach `smalltalk`“.
Wir schlenderten langsam umher. Am liebsten wäre ich zu den Bänken gelaufen, um diese ganze Gesellschaft aus der Ferne zu betrachten.
„Hey, Weingartner,“ dröhnte es aus einer der Gruppen,
„stellen ‚se uns doch Ihre entzückende Freundin vor. Solch guten Geschmack hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.“
„Wer ist denn der Flegel?“ fragte ich Mark.
„Der Mensch heißt Kluge und ist ebenfalls Anwalt; aber ein erfolgreicher,“ antwortete er etwas bitter.
Ich wurde vorgestellt. Dr. Kluge mit Gattin, Dr. Soundso und Eheleute Soundso. Ich konnte mir das alles nicht auf einmal merken und fühlte mich äußerst unsicher. Neugierig wurde ich betrachtet.
„Sind Sie schon lange in Wiesbaden?“
„Woher kommen Sie denn?“
„In welcher Branche arbeiten Sie?“
„Hotelbranche,“ antwortete ich.
„Ach, das wäre doch was für
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