Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
schon Herr Dr. Höller, Tod durch Zyankali festgestellt. Man habe Zeugen befragt. Bis auf Frau Hove, die offensichtlich einen Nervenzusammenbruch hatte und nur „Mörderin“ schrie, habe niemand etwas mitbekommen. Aber man konnte jedenfalls feststellen, dass außer mir und Frau Hove niemand am Tatort war. Ich sei die Einzige gewesen, die ein Motiv hatte, deshalb habe man mich festgenommen.
„Trifft es zu, Herr Zeuge,“ fragte Mark mit besonderer Betonung,
„dass Sie zu der Angeklagten gesagt haben, sie solle ein Geständnis machen, Sie hätten keine Lust, sich die Neujahrsnacht wegen einer starrsinnigen Mörderin verderben zu lassen?“
„So wörtlich habe ich das nicht gesagt. Aufgrund der Beweislage haben wir der Angeklagten nahegelegt, ein Geständnis abzulegen.“
„Das heißt,“ setzte Mark nach, „Sie haben sich auf die Angeklagte eingeschossen, und andere Ermittlungen gar nicht mehr angestellt?“
„Doch, haben wir. Hat aber nichts ergeben.“
„Und Frau Hove? Schließlich war sie zum Zeitpunkt von Marianne Fischers Tod allein mit ihr.“
„Haben wir untersucht. Es gab aber keine Anhaltspunkte. Machte auch keinen Sinn.“
Als nächstes wurde Herr Dr. Kroner, Mariannes Arzt, vernommen. Er sagte über ihren Gesund heitszustand, ihre Depressionen, ihren Alkoholismus aus. Er bestätigte, dass er mit Marianne intensiv die Situation geübt habe, die sie auf der Sylvesterparty vorfinden würde. Er habe den Eindruck gehabt, dass sie es packen würde. Die entscheidende Frage, war sie Selbstmord gefährdet, beantwortete er mit einem klaren „Ja“. Wie konnte sie aber an Zyankali kommen. Das wusste Herr Dr. Kroner auch nicht. Hatte er Jochen einen Briefumschlag mit einem Medikament gegeben? Nein, Marianne hatte ihre normalen Medikamente immer auf Vorrat.
Der Zeuge wurde entlassen, die heutige Sitzung bis morgen unterbrochen. Ich wurde in Handschellen in meine Zelle zurückgebracht. Morgen standen weitere Zeugenvernehmungen an. Ich war erschöpft, warf mich auf mein Bett und spulte die Verhandlung noch einmal in meinem Kopf ab. Anne-Kathrin hatte mich verraten. Eine Frau mit ihrer gebeutelten Seele hat wahrscheinlich gar kein Empfinden für das, was man anständigerweise seinen Mitmenschen zufügen kann und darf. Man hatte ihr eine Belohnung, nämlich eine geringe Strafe, in Aussicht gestellt, und sofort haute sie mich in die Pfanne. Vielleicht war sie wirklich so unintelligent, dass sie die Konsequenzen nicht abgeschätzt hatte. Sei´s drum. Mark hatte die richtige Sprache für so eine gefunden. Rachsüchtig war ich. Ich hatte jegliches Mitleid mit ihr verloren.
Dann dachte ich an Jochen. Als er zur Tür hereinkam, wäre ich am liebsten aufgesprungen und ihm um den Hals gefallen. Es war wie beim ersten Mal im „La Sangria“. Ich hatte mich sofort wieder in ihn verliebt. Und wie gewandt und geschickt er vor Gericht aussagte! Alle Zweifel an ihn, die sich in den Monaten der Untersuchungshaft aufgebaut hatten, waren weggewischt. Ich schöpfte neue Hoffnung. Wenn ich freikäme, würden wir von vorne anfangen. Jetzt hatten wir eine Zukunft. Es war ein frivoler Gedanke, aber durch Mariannes Tod war ein entscheidendes Hindernis aus dem Weg geräumt. Ich schämte mich zwar, ich hatte sie jedoch nicht getötet, deshalb konnte sie auch nicht zwischen uns stehen. Aber hatte sie sich vielleicht meinetwegen umgebracht? Ich wälzte meine Gedanken hin und her. Dabei wurde ich immer nervöser, mein Hirn begann zu klopfen, ich glaubte zu ersticken. Ich wollte schreien: Lasst mich raus, ich will raus, ich ersticke! Aber dann war ich wohl eingeschlafen, und als ich wach wurde, wusste ich nicht, was war Albtraum, was war Wirklichkeit. Meine Glieder waren schwer wie nach einer Grippe, ich hatte keinen Appetit, nur Durst. Ich trank bis zum Abend 3 Flaschen Mineralwasser. Dann schlief ich wie ein Stein bis zum nächsten Morgen. Nur gut, dass ich nicht ahnte, was mich an diesem Tag im Gerichtssaal erwartete. Es sollte für lange Zeit die letzte Nacht gewesen sein, in der ich gut schlief.
Das Ritual im Gerichtssaal war dasselbe wie am Tag vorher. Das Gericht erschien, alle Anwesenden erhoben sich, das Gericht setzte sich, die Anwesenden setzten sich, der Staatsanwalt rief die nächste Zeugin auf.
„Frau Olga Kaiser bitte.“
Die Zeugin erschien selbstbewusst im Türrahmen. Gut gebaut, brünett, schlichtes dunkelblaues Etuikleid, teure Perlenkette im Dekolleté, elegante Handtasche, Balischuhe,
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