Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
verließ den Saal. Ich war tief getroffen. Wenigstens heute hätte er für mich da sein sollen. Seine Anwesenheit im Gerichtssaal wäre für mich wichtig gewesen.
Die Staatsanwaltschaft rief die Zeugin Anne-Kathrin Sellmann auf.
„Ännchen von Tharau?“ Ich sah Mark fassungslos an. Er schüttelte nur mit dem Kopf.
„Diese Zeugin ist mir nicht genannt worden.“
„Macht nix,“ erwiderte der Staatsanwalt, „sie ist trotzdem da. Wurde kurzfristig entschieden.“
Ännchen kam linkisch auf den Zeugenstuhl zu. Sie blickte mich verlegen an. Sie setzte sich, ihre Personalien wurden festgestellt, sie wurde belehrt, die Wahr heit zu sagen und gefragt, was sie zu sagen habe.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll,“ begann sie schüchtern.
„Frau Sellmann,“ der Staatsanwalt ergriff das Wort.
„Sie waren mit der Ange klagten monatelang in einer Zelle. Sie haben sich unterhalten, Sie haben ihr Ihre Geschichte erzählt?“
„Ja,“ Ännchen flüsterte heiser, „sie hat mir auch von sich erzählt. Ich hab gesagt, sie soll gestehen, dann würde sie nicht so hart be straft.“
„Wie sind Sie denn da drauf ge kommen?“ fragte der Vorsitzende.
„Das hat der Kommissar gesagt.“
„Frau Sellmann,“ fragte Mark, „ist es richtig, dass man Ihnen bei der Vernehmung in Aussicht gestellt hat, Sie würden nur wegen Totschlag verurteilt, höchstens 8 Jahre, und könnten spätestens nach 6 Jahren frei sein, wenn Sie gestehen?“
„Ja,“ hauchte Ännchen,
„Sie haben mich reingelegt.“
Der Staats anwalt ignorierte diese Bemerkung.
„Hat die Angeklagte Ihnen gesagt, sie habe von Herrn Fischer eine Pillendose mit einem Medikament bekommen, das sie der Verstorbenen dann gebracht hat?“
„Tut mir leid, Rosi,“ sagte Ännchen zu mir gewandt.
„Ich habe es nur gut gemeint. Der Kommissar hat gesagt, Du würdest lebenslänglich kriegen. Aber wenn Du gestehst, könntest Du vielleicht auch nach 6 Jahren rauskommen.“
„Frau Sellmann, hier spielt die Musik,“ sagte der Vorsitzende, „sehen Sie bitte mich an. Und beantworten Sie die Frage des Staatsanwalts.“
„Also sie hat gesagt, der Arzt hätte Herrn Fischer das Medikament gegeben, der hätte es ihr gegeben und sie hätte es der Frau Fischer auf den Tisch gestellt.“
„Idiotin“ zischte mich Mark an.
Ich war völlig zerknirscht. Wie konnte ich nur dieser Mörderin vertrauen! Sie hatte mich verraten!!
„Frau Sellmann,“ wieder preschte Mark vor.
Ich war begeistert von ihm. Er kämpfte für mich.
„Sagen Sie dem Gericht doch einmal, weswegen Sie im Gefängnis sind.“
„Wegen Mord,“ sagte Sie naiv.
„Und wen haben Sie umgebracht und wie?“
„Meinen Kerl, mit Zyankali.“
„Sie haben Ihren Ehemann mit Zyankali vergiftet. Wie sind Sie denn an das Gift gekommen?“ „Das darf ich nicht sagen.“
„Sie müssen vor Gericht die Wahrheit sagen. Ich stelle fest, dass die Staatsanwaltschaft diese Frage nie geklärt hat.“
„Frau Sellmann hat sofort gestanden. Als Angeklagte brauchte sie dazu auch nicht auszusagen. Und für den jetzt verhandelten Fall ist es unerheblich, woher sie das Zyankali hatte,“ fuhr der Staatsanwalt dazwischen.
„Das sehe ich anders,“ entgegnete Mark.
„Die Zeugin wirft hier offensichtlich etwas durcheinander. Sie hat einen Menschen mit Zyankali umgebracht, und ich frage Sie jetzt ganz konkret: Haben Sie das Gift von Ihrem Arzt erhalten, der nach all den Misshandlungen, die Sie durch Ihren Mann erfahren haben, Mitleid mit Ihnen hatte?“
Mir wurde es kalt ums Herz, Ännchen wurde kreide bleich und schrie
„Nein, nein, auf keinen Fall!“
„Das geht zu weit!“ Der Staatsanwalt war sichtlich empört.
„Die Zeugin braucht zu ihrem abgeschlossenen Prozess keine Aussagen zu machen. Und schon gar nicht zu der Frage, woher sie das Gift hatte. Sie müsste sich hier möglicherweise selbst belasten.“
„Ich möchte nur darlegen, dass die Zeugin ihren eigenen Fall offensichtlich auf die Angeklagte transportiert,“ sagte Mark.
Ännchen zitterte am ganzen Körper.
„Ich möchte dazu nichts sagen,“ stammelte sie.
Sie wurde entlassen, wollte nicht bleiben und wurde in Handschellen abgeführt. Ich habe sie nie wiedergesehen.
Als nächstes wird Kriminal-Oberkommissar Sondermann in den Zeugenstand gerufen. Nach den Formalien bittet der Vorsitzende ihn um eine Beschreibung der Situation, die er und sein Kollege Kunze bei ihrem Eintreffen am Tatort vorge funden hatten. Der Polizeiarzt habe, wie
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