Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
Genossin Olga. Sie fauchte wie ein Raubtier.
„Unverschämtheit, Rotzlümmel, Saufbold.“
Das waren noch die harmlosen Bezeichnungen für Mark. Der Richter verhängte ein Ordnungsgeld. Daraufhin wandte sie sich zu mir.
„Mädelchen, Dein blödes Grinsen wird Dir noch vergehen. Denk ja nicht, dass Du Dir diesen Jochen krallen kannst. Just in diesem Augenblick heiratet er nämlich ein ganz junges, hübsches, reiches Mädchen und heute Abend fliegt er auf die Azoren in Hochzeitsurlaub. Entschuldigen Sie, Herr Vorsitzender, ich bin zur Hochzeitsfeier eingeladen und muss jetzt gehen.“
Sie schob geräuschvoll den Stuhl nach hinten und wollte rausrauschen.
„Augenblick noch,“ der Vorsitzende wurde zornig.
„Sie gehen, wenn ich es Ihnen erlaube. Gibt es noch Fragen an die Zeugin? Nein? Dann sind Sie entlassen.“
Ich war aufgesprungen. Ich konnte nicht glauben, was ich gehört hatte. Ich wollte schreien, aber es kam kein Ton aus meinem Mund. Ich lallte. Mark zog mich auf meinen Stuhl zurück. Ich krallte mich an seinem Talar fest und schüttelte so heftig daran, dass er zerriss. Aus der Ferne hörte ich eine Stimme, die auf mich einredete und mich Angeklagte nannte.
„Wo ist denn die Angeklagte?“ fragte ich Mark.
„Wo ist die Angeklagte?“
Ich vernahm Stimmengewirr, fühlte, wie eiserne Griffe meine Arme umschlossen. Ich stolperte aus dem Saal. Ich wurde in einen Raum gezerrt und auf einen Stuhl gedrückt. Jemand reichte mir ein Glas Wasser und zwang mich es zu trinken. Ein Sanitäter kam und kontrollierte Puls und Blutdruck. Dann wurde ein Arzt angefordert. Jemand streichelte mich.
„Jochen ,“ sagte ich,“ schön, dass Du gekommen bist.“
Aber es war Mark.
„Rosi, bitte liebe Rosi,“ bettelte er,
„komm wieder zu Dir. Es ist ganz wichtig. Nimm Dich doch noch eine halbe Stunde zusammen. Dann hast Du alles überstanden und Du wirst frei sein.“
Ich bekam eine Spritze und fühlte, wie ich ganz ruhig und leicht wurde.
„Glaubst Du, Du kannst da wieder rein gehen? Es ist ungeheuer wichtig.“
Ich sah Marks` verzweifeltes Gesicht.
„Versuch es doch wenigstens“.
„Kein Problem,“ sagte ich munter, stand auf und wäre um ein Haar gestürzt. Der Arzt sagte, ich sei verhandlungsunfähig, aber Mark redete so nachdrücklich auf ihn ein, dass er sich bereit erklärte, bis zum Schluss im Gerichtssaal anwesend zu sein. Ich wurde gestützt und in den Gerichtssaal zurückgeführt. Das Gericht hatte die Ver handlung unterbrochen. Sie wurde wieder aufgenommen. Ich wurde gefragt, ob ich in der Lage sei, ihr zu folgen. Mark bestätigte das und verwies auf den Arzt. Der nickte.
„Die Verteidigung ruft Ruth Herzmann in den Zeugenstand.“
„Ruth Herzmann, bitte.“
Hatte den Namen noch nie gehört. Ich sah fragend zu Mark. Der tätschelte meine Hand. Eine junge Frau erschien, etwa in meinem Alter. Beruf Krankengymnastin. Mit der Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert. Die beste Freundin der verstorbenen Marianne Fischer. Was wollte die hier?
„Frau Herzmann, Sie haben sich bei der Verteidigung gemeldet. Sie wollen eine Aussage machen,“ stellte der Vorsitzende fest.
„Ja,“ sagte sie, „ich glaube nicht, dass die Angeklagte schuldig ist.“
„Glauben hilft nicht. Haben Sie denn Beweise dafür?“ fragte der Vorsitzende weiter.
„Beweise nicht, aber Marianne hat mir ihren Selbstmord angekündigt?“
„Wann hat sie das getan?“
„Sie hat oft von Selbstmord gesprochen. Sie wusste, dass sie ihrem Mann nicht genügte. In keiner Hinsicht. Sie fühlte sich ihm geistig weit unterlegen, sie verstand seine geschäftlichen Trans aktionen nicht. Sie wusste, dass er ständig Affären mit anderen Frauen hatte, und – wie sie sagte – er konnte nicht einmal in der Öffentlichkeit mit ihr angeben. Sie hatte sich aufgegeben, war dem Alkohol verfallen und kam auch nicht davon los. Sie hatte Angst ihn zu verlieren. Sie wusste auch, dass Frau Krause, die er immer als Hotelmanagerin bezeichnet hatte, seine neue Geliebte war. Bisher hatte er noch nie Liebe und Geschäft miteinander verknüpft. Marianne war klar, dass es diesmal ernst war. Aber sie wollte nicht einfach still und unauffällig abtreten. Sie sagte, die Neue würde ihren Mann nicht kriegen. Dafür würde sie noch in Ihrem Tod sorgen.“
„Was hat sie damit gemeint?“
„Das weiß ich nicht. Sie wollte es mir nicht sagen. Aber sie hatte sich etwas Spektakuläres ausgedacht.“
Der Staatsanwalt, der
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