Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
entgegen.
„War das eben nicht das Sofa vom Chef?“ fragte ich. Sie machte eine wegwerfende Bewegung, verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Ohne Antwort rauschte sie davon. Ratlos ging ich ins Schwesterzimmer. Hektik.
„Kann mir jemand sagen, was hier abläuft?“
Alles stob davon, nur die etwas phlegmatische chinesische Lernschwester Rosie-Wu – von allen Schwester Wu genannt - sagte, indem sie sich ver zweifelt bemühte ein deutsches „R“ zu sprechen:
„Es gibt reichen Mann in Aufnahme. Hatte Herzanfall auf Auto bahn. Sein Fahrer kommen hier. Junge Frau möchte Wohnzimmer. Will bleiben bei Mann Tag und Nacht. Zahlen viel Geld.“
„Du grüne Neune,“ sagte ich, „das gab es ja noch nie.“
Der Patient wurde nach der ersten Notversorgung den ganzen Vormittag unter sucht und erschien während meiner Arbeitszeit nicht auf der Station, um mit Gattin seinen Salon zu beziehen. Am nächsten Morgen hatte ich das Ereignis vergessen. Gegen 9.00 Uhr klingelte jemand im Vierbettzimmer. Ich war gerade in der Nähe und ging hinein. Im ersten Moment war ich völlig durcheinander. Da lag auf der einen Seite ein Teppich, darauf stand das Sofa vom Chef, sein Couchtisch, ein Sessel und eine Stehlampe. Auf der anderen Seite am Fenster mit Blick in den Park stand das Bett mit dem Patienten. Er war an Überwachungsgeräten angeschlossen, die von Zeit zu Zeit einen Piepton von sich gaben. In der Nase hatte er eine Sonde in einem Arm einen Infusionsschlauch. Am Bett saß eine junge elegante Frau.
„Mein Mann muss zur Toilette,“ sagte sie, was auf gut deutsch hieß, Schieber aus dem Nachttisch nehmen und dem Patienten unter den Hintern praktizieren. Für so viel Geld war das von einer vornehmen Gattin natürlich nicht zu erwarten. Als ich mich bückte, um die Tür des Nacht tisches zu öffnen, schlugen die Geräte mit einem Mal Alarm. Erschrocken für ich hoch und wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Die Tür sprang auf, Oberarzt und Oberschwester kamen gleichzeitig herein, Sekunden später der Chef. Er gab Anweisungen, es wurden Spritzen aufgezogen, während die Ehefrau nervös im Weg stand und ich immer noch nicht wusste, wo ich gebraucht würde.
„Beruhigen Sie die Frau,“ sagte der Oberarzt zu mir „und gehen sie mit ihr hier raus.“
Ich nahm die Frau am Arm und lenkte sie in den Aufenthaltsraum für Patienten. Sie war kreideweiß. Mir war, als hätte ich sie schon einmal gesehen.
„Soll ich Ihnen etwas bringen? Kaffee, Saft?“ fragte ich.
„Wasser,“ antwortete sie heiser.
Ich brachte ihr eine Flasche Sprudel und ein Glas.
„Möchten Sie sonst noch etwas?“
Sie schüttelte den Kopf, goss sich das Glas voll Wasser und trank es hastig auf einen Zug aus. „Kann ich Sie allein lassen?“ fragte ich.
„Ja, ja,“ antwortete sie mit leiser Stimme.
„Sie haben sicherlich viel zu tun. Ich komme schon zurecht.“
Woher kannte ich diese Frau? Ich kam nicht drauf. Ich ging ins Ärztezimmer und suchte in der Patientenkartei nach der Akte. Aber ich wusste seinen Namen nicht. Während ich die Ordner einen nach dem andern über die Stangen schob, an denen sie aufgehängt waren, kam die Oberschwester ins Zimmer gestürmt.
„Ach, geben Sie mir doch grad mal die Akte von Herrn Fischer,“ bat sie.
„Herrn Fischer?“
„Ja, der Patient von Nr. 324,“ sagte sie ungeduldig.
Ich zog den Hefter mit der Aufschrift Fischer, Jochen heraus. Meine Hände zitterten. Das konnte doch nicht sein. Aber sicher, jetzt erinnerte ich mich: Die Frau war die kleine Andrea Kötter, etwas reifer, damenhafter, gewandter und ohne das jugendliche Sprühen in den Augen, das ich kannte.
„Was haben Sie denn,“ fragte die Oberschwester unwirsch. „Das ist sie doch.“
Damit riss sie mir die Unterlagen aus der Hand und lief wieder hinaus.
Wie lange hatte ich schon nicht mehr an Jochen gedacht! Ich glaubte, ihn ein für allemal abgehakt zu haben. Und jetzt das! Ich erinnere mich nur noch, dass ich an diesem Vormittag von allen getadelt wurde. Was denn mit mir los sei, wo ich denn meine Gedanken hätte, ob ich krank sei, warum ich dieses und jenes noch nicht erledigt hätte, und warum ich immer nur im Wege stünde.
Ich fühlte mich krank, und als ich nach Hause kam, legte ich mich ins Bett und schlief. Kurti war bei einem Kunden und kam spät nach Hause. Moritz hatte heute Fußball und war an schließend bei einem Freund. So war ich den ganzen restlichen Tag allein. Später wollte ich Kurti
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