Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
könne.
Jochens Gesundheitszustand hatte sich verschlechtert.
„Und es wird nicht besser werden“, dachte ich grimmig.
Der Chef stand im Gespräch mit Andrea Kötter auf dem Flur.
„Wenn nicht bald ein Spender gefunden wird, haben wir ein sehr ernstes Problem,“ hörte ich ihn im Vorbeigehen sagen.
Andrea schluchzte.
„Was glaubst Du, wie ich geweint habe, während Du mit ihm glücklich warst“, dachte ich, aber ich wusste, dass das ungerecht war. Jochen war schließlich dafür verantwortlich gewesen, und außerdem hatte ich mich in seine Ehe gedrängt.
Als ich zwei Tage später zum Dienst kam, wurde ich von Brigitte begrüßt.
„Wir haben ein Spenderherz,“ rief sie begeistert.
„Ein Motorradunfall in Schleswig-Holstein. Der Chef operiert seit heute morgen 5.00 Uhr.“ Ich fühlte eine große Genugtuung. Ein junger Mensch sollte nicht sein Leben für Jochen gelassen haben. Am Spätnachmittag wurde Jochen auf die Station zurückgebracht. Er hatte die Operation gut überstanden. Der Chef war schließlich eine Kapazität.
Kapitel XVI
„Du hast Dich in den letzten Wochen verändert,“ sagte Kurti am folgenden Wochenende zu mir.
„Du gefällst mir überhaupt nicht. Bist Du krank? Willst Du Dich nicht mal gründlich durchchecken lassen?“
Er hatte recht. Wenn ich in den Spiegel blickte, sah ich das Gesicht einer Mörderin, verkniffen, hart und unbarmherzig. Reue? Nein. Wie konnte das nur aus mir werden? Wie eine Schlange lauerte ich auf Jochens Tod. So langsam müsste jetzt die Abwehrreaktion einsetzen. Und dann, am Vormittag des 8. Tages nach der Operation starb er trotz all der Anstrengungen unserer Spezialisten. Als seine zugedeckte Leiche aus dem Zimmer gefahren wurde, stand ich auf dem Flur und sah ihr nach. Da ging sie hin, die vermeintlich große Liebe meines Lebens.
Der Krankenhausbetrieb nahm seinen normalen Verlauf. Der Professor erhielt seine Couch zurück. Wir hatten wieder ein Vierbettzimmer. In mir war ein Gefühls-Vakuum. Keine Trauer, keine Schuld, kein Bedauern. Nur Erleichterung.
Ende September hatte unser Professor seinen 50. Geburtstag. Er hatte uns alle – soweit abkömmlich – vormittags zu einem Sektempfang in sein Haus eingeladen. Das Wetter war wunderschön und angenehm warm, und so konnte die Veranstaltung draußen im Garten stattfinden.
„Die Ehe- oder sonstigen Partner sind herzlich mit eingeladen“, hatte er gesagt.
Ich traf mich also mit Kurti um 11.00 Uhr vor der Chefvilla. Er hatte ein pompöses Buffet aufbauen lassen, und unwillkürlich musste ich an Jochen denken und an Krautermanns Delikatessen. Das war einer der glücklichen Tage in meinem Leben, als Jochen mir in der Nacht gesagt hatte, wie sehr er mich brauche.
„Alles Lüge“, dachte ich traurig.
Es hatte ihm nicht gepasst, dass ich mit Mark geflirtet hatte. Er wollte mich nur wieder auf Spur bringen. Was war seitdem alles geschehen? Mark war tot, Jochen war tot. Ich erschrak. Jochen hatte gedroht, mich zu holen.
„Aberglaube,“ dachte ich und zwang mich, aufgeräumt und fröhlich zu sein.
Ständig kamen und gingen Leute. Es wurden Geschenkpakete geschleppt, es wurde gratuliert, man herzte sich und prostete sich zu.
„Langes Leben,“ usw.
Der Professor schlug gegen das Glas. Man rückte zu ihm auf, denn offensichtlich wollte er eine Rede halten.
„Liebe Freunde, meine lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“
Er dankte uns für unseren Einsatz, für unsere Loyalität, unsere Zu verlässigkeit und bekundete sein großes Vertrauen, das er uns entgegenbringe. Das sei die Voraussetzung dafür, dass er so vielen Menschen hätte helfen können. Sein Beruf mache ihm viel Freude, wenn wieder einmal einem Todgeweihten der Weg zurück ins Leben gelinge.
„Aber manchmal versagt alle ärztliche Kunst und alles Bemühen. Das sind die schlimmen Tage in unserem Leben. So wie wir es gerade wieder einmal mit einem Patienten erleben mussten, dem all sein Geld und sein Erfolg nicht geholfen haben. Hilflos mussten wir zusehen, wie unsere Kunst versagte und er unter unseren Händen wegstarb.“
Ich blickte verstohlen zu Kurti. Er sah mich fragend an.
„Hast Du mir gar nichts von erzählt“, sagte er.
„Ja,“ mischte sich Köhler, unser Assistenzarzt ein, „dieser Burgherr Fischer hat geglaubt, er könne sich das ewige Leben kaufen.“
Ich merkte, dass ich blass wurde und dann unter Kurtis ungläubigem,
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