Die Qualen der Sophora
Sie
flatterten fröhlich im kalten Wind. Sie bremste scharf, als sie auf das Tor des
Sicherheitszaunes zufuhr und lehnte sich weit aus dem Wagen, um mit klammen
Fingern den Code einzugeben.
Endlich glitt es auf und sie zog undamenhaft die Nase
hoch, weil die kalte Luft ihr die Tränen in die Augen getrieben hatten, die
sowieso schon übernächtigt waren. Sie musste furchtbar aussehen, aber das
kümmerte hier niemanden. Sie fuhr den Wagen in die Garage und wunderte sich,
dass es im Haus so still war. Es war noch in aller Herrgottsfrühe, doch
eigentlich war auf dem Innenhof immer jemand unterwegs. Der Hunger trieb sie in
die Küche, wo sie überrascht auf der Schwelle verharrte. Die Küchenmädchen
waren gerade dabei, die Überreste eines Festmahles in Vorratsdosen zu
verpacken.
Auf dem großen grob gehauenen Holztisch standen noch
Platten, auf denen sie Reste von Braten und anderen Köstlichkeiten entdecken
konnte. Sie hatten also ein Fest gefeiert, bei dem sie nicht stören sollte.
Catalinas Miene blieb unergründlich, als die jungen Mädchen sie misstrauisch
musterten. Die meisten hatten Angst vor ihr oder rümpften die Nase, weil sie
meist nicht ein besonders ansehnliches Bild bot. Einige von ihnen waren offen
feindselig, weil sie sich mit ihren Brüdern oder Cousins 'im Heu gewälzt'
hatten und dachten, sie wären etwas Besseres. Catalina interessierten diese Art
von Spielchen nicht, solange sie ihre Griffel von Dragomir ließen. In dem Punkt
hatte sie Valeriu hinter sich stehen, so dass sie mit Vorsicht behandelt wurde.
„Fass bloß nichts an, sonst können wir alles in den
Müll schmeißen und dein Vater duldet keine Verschwendung! Kannst du dich nicht
wenigstens vorher waschen?!“, beschwerte sich eine junge Frau mit blitzenden
dunklen Augen, die sie voller Ekel ansahen.
Catalina fuhr sich mit dem Handrücken unter der Nase
entlang und schnaubte verächtlich, während sie mit schweren Schritten auf die
Küchenhilfe zuging, bis sie mit der Hüfte gegen den Tisch stieß. Mit einem
katzfreundlichen Lächeln umspannte sie das rundliche Gesicht der jungen Frau,
so dass sie den Griff äußerst schmerzhaft spüren würde.
„Dann solltest du mir schnellstens einen Teller
richten, Danica! Sonst wirst du meine dreckige Visage noch viel länger ertragen
müssen, als dir lieb sein kann!“
Meistens ging sie solchen Konfrontationen aus dem Weg,
aber in letzter Zeit fühlte sie eine unbändige Wut in sich hoch kochen, die sie
nun nicht auf der Jagd hatte abreagieren können. Diesmal hatte sie gewonnen,
aber sie wusste auch, dass sie nicht zu weit gehen durfte, weil Valeriu sowieso
schon schlecht auf sie zu sprechen war. Sie setzte sich an die Ecke des
Tisches, die am nächsten zum großen Kamin stand, in dem ein heimeliges Feuer
flackerte und nahm ein üppiges Frühstück ein, wobei ihr die geflüsterten
Gehässigkeiten nicht entgingen, die zwei kichernde Mädchen austauschten.
… Manieren wie ein Schwein … Oder Ähnliches. Es war nicht wichtig.
Sie biss gerade ein Stück von einem kalten
Hähnchenschlegel, als ihr Worte zu Ohren kamen, die beinahe ausgelöst hätten,
an dem Stück Fleisch zu ersticken. Sie nahm einen tiefen Schluck von der Milch,
um es herunter zu spülen. Ihre Augen tränten diesmal nicht mehr wegen
Erschöpfung oder wegen der Kälte. Sie schob den Teller von sich und erhob sich
mit steifen Bewegungen vom Tisch, wohl wissend dass die anderen sie mit böse
funkelnden Argusaugen beobachteten.
Ruhigen Schrittes verließ sie die Küche, um dann die
Stufen nach oben zu nehmen, als wären wilde Furien hinter ihr her. Schwer
atmend krallte sie sich an den Türrahmen des Zimmers, hinter dem Dragomir
liegen und schlafen würde. Er war zurück!
Sie sagte sich immer wieder, dass die Familie kein Fest gefeiert hätte, wenn es
ihm nicht besser gehen würde. Sie zitterten dennoch wie Espenlaub, als die
Erinnerung an seine Verletzungen zurückkehrte. Sie würde diesen Anblick niemals
im Leben vergessen. Catalina lehnte die Stirn gegen die schwere Holztür und
legte ihre Hand flach auf das Türblatt, als könnte sie so erspüren, was in dem
Zimmer vor sich ging.
Gott, wenn es ihm gut geht, dann ist das das größte
Geschenk, das du mir machen kannst!
Es würde bald Weihnachten sein. Ein Fest, das für sie
keinerlei Bedeutung hatte, weil sie es niemals mit der Familie gefeiert hatte.
Sie saß nur am Familientisch, wenn Besucher zugegen waren, denen man ihre
Fähigkeiten vorführen wollte. Ihre Brüder und
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