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Die Qualen der Sophora

Die Qualen der Sophora

Titel: Die Qualen der Sophora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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Cat dazu brachte, offen mit ihm zu sprechen
     
    Cat hatte ihn nicht kommen hören, sie war so gefangen
in ihrem Traum oder vielmehr dem Flashback aus der Vergangenheit, dass er sie
vollkommen überrumpeln konnte. Nach außen hin blieb sie völlig ruhig, doch ihr
Herz klopfte zum Zerspringen, während sie hastig versuchte, die Tränen weg zu
blinzeln. Sie hoffte darauf, dass der kühle Morgenwind die Feuchtigkeit auf
ihren Wangen trocknen würde.
Er schien nicht zu ahnen, was sie hier nach draußen getrieben hatte. Und sie
wollte eigentlich, dass es so blieb. Die Berührung seiner Lippen auf ihrer
Schulter löste dennoch eine Gänsehaut aus. Diesmal allerdings aus Abwehr, die
sie ihn nicht spüren lassen wollte.
Sie fühlte sich wieder wie der Teenager von damals. Hilflos. Sie biss sich fest
auf die Unterlippe, um das Zittern zu verhindern, da die Worte aus ihr
heraussprudeln wollten. Aber sie wollte kein Verständnis. Nathan hatte doch
keine Ahnung… Cat schnappte heftig nach Luft, wand sich gewaltsam aus seiner
festen Umarmung, landete jedoch nach einer halben Drehung nur wieder in seinen
Armen, weil er wohl ihre Gegenwehr vorausgesehen hatte. Mit glühenden Augen sah
sie zu ihm auf.
    „Wenn du es unbedingt wissen willst… Ich war zuhause…
In Rumänien…“, begann Cat und ein sehr schnippischer Unterton schlich sich in
ihre Stimme.
    Sie war wütend auf sich selbst, weil es immer noch das
Herz zerriss, an damals zu denken.
Ihr Körper spannte sich in Gegenwehr an, doch es fiel Nathan nicht schwer, ihr
genug entgegen zu setzen, damit sie weder vorwärts noch rückwärts konnte. Sie
gab ein leises ungehaltenes Fauchen von sich, doch da die meiste Wut gegen sich
selbst gerichtet war, würde sie ihren Partner sicher nicht in der Form der
Löwin angreifen.
    Es gab keinen Ausweg wie früher. Da wäre sie auf die
Jagd gegangen, hätte sich absichtlich in Gefahr begeben und hätte schmerzhafte
Hiebe eingesteckt, bis ihr Überlebenswille sie dazu zwang, sich zur Wehr zu
setzen. Nicht nur Nathan hatte einen Drang zur Selbstkasteiung. Sie hatte diese
Kunst nur nicht so sehr wie er perfektioniert, da sie nicht über seine
Fähigkeiten verfügte.
    Cat hob die Hand und bedeckt das Tattoo, das sie über
der linken Hauptschlagader trug, das früher die Punktmale des Bisses eines
Aryaners verborgen hatte. Sie waren verschwunden, allerdings nicht der Grund,
warum sie den Biss geradezu herbeigesehnt hatte… Eine Träne kullerte
verräterisch über ihre Wange und Cat senkte den Kopf, weil sie auch spürte,
dass das Leuchten ihrer Augen verlosch und es Nathan nur zu leicht machen
würde, in ihr zu lesen wie in einem offenen Buch. Der Vollmond machte sie
angreifbar für jedes Gefühl, ob nun gut oder schlecht.
    „Ich wollte schon so oft zurückkehren… Nur um zu
sehen, ob es ihm gut geht… Mein jüngster Bruder, Dragomir. Diese unselige Nacht
verfolgt mich. Ich hätte wissen müssen, dass mein Vater seine Sicherheit
niemals mir allein anvertraut hätte! Er wollte unbedingt auf die Jagd und ich
glaubte ihm, dass der Befehl von unserem Vater kam. Ich brachte ihn in größte
Gefahr. Er wäre beinahe gestorben… Und nun ist er für immer gezeichnet.“
    Cat dachte so heftig an die Ereignisse dieser Nacht,
dass es Nathan ein Leichtes sein musste, sie vor seinem inneren Auge zu sehen,
so dass sie sich weitere Erklärungen sparte.
Sie gebot ihren Gedanken jähen Einhalt, bevor er die Szene miterleben konnte,
wie ihr Vater sie zur Rechenschaft gezogen hatte. Ein Schauer erfasste sie,
weil sie bis dahin nicht geahnt hatte, was Schmerzen wirklich bedeuteten. Und
doch hätte sie den Tod als Erlösung und verdiente Strafe begrüßt.
    Warum nur hatte sie damals den Befehl nur nicht
hinterfragt?
     
    Der schnippische Unterton in ihrer sonst so fröhlichen
Stimme gefiel ihm nicht. Vor allem, weil er allein kaum der Auslöser sein
konnte. Er hielt sie fest, obwohl sie nichts sehnlicher als von ihm fort wollte
und musterte sie wortlos mit kühlem Gesichtsausdruck. Auch seine Geduld währte
nicht ewig und ihm auszuweichen, war gerade keine gute Idee. Trotzdem
überraschte es ihn, dass sie von Rumänien geträumt hatte. Ihre Heimat schien
für ihn viel zu weit weg und nicht annähernd in die Geschehnisse der letzten
Tage zu passen, die sich in ihrer Gegenwart zutrugen. Sie sprach seit dem Tag
ihrer Umwandlung und der Begegnung mit Manasses, ihrem Erzeuger, nicht mehr
viel über ihr altes Zuhause, in dem ihr nie etwas Gutes wiederfahren war.

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