Die Qualen der Sophora
vergessen
machte, wo und in welcher Gesellschaft er sich befand. Niemals würde er einer
Frau gegen ihren Willen Gewalt antun. Wenn sie nicht wollte, dann hatte sie
eben Pech gehabt. Er würde auch anderswo sein Vergnügen finden und wenn er sich
auch nur selbst in einer stillen Ecke des Pferdestalls Erleichterung
verschaffte. Was natürlich nur dann infrage kam, wenn die Frau des
Stallmeisters nicht zugegen war, um seinen Abschied von Melton Hall zu feiern. Er
hätte gleich auf diese Idee kommen sollen.
„Oh!“ Valerie schien
irgendwie enttäuscht zu sein, dass er ihr keine Szene machte und sie
tatsächlich gehen ließ.
Seine Küsse hatten sie
zusätzlich zum Wein ganz trunken gemacht und sie hätte sich ihm ganz bestimmt
hingegeben, wenn er es noch einmal versucht hätte. Warum wollte er nicht mehr?
Sie hatte doch nur das getan, was als anständige Tochter eines Marineadmirals
erwartet wurde. Ein Mann wie Mr. Archer, dessen Ruf durch sämtliche Ortschaften
der Insel bekannt war, musste doch wissen, was ihn erwartete. Wenn sie sich
nicht wehrte, würde er am Ende nur verbreiten, sie wäre leicht zu haben und
durch ihre wechselnden Bekanntschaften dem Wahnsinn verfallen. Das hatte er
schon über Mindy Rowbottom in Umlauf gesetzt. Die Tochter des Schiffsarztes der
Sunburn war einen Sommer lang Gast von Lady Imogen gewesen und seitdem nicht
mehr dieselbe. Man erzählte sich, sie wäre durch die unerwiderte Liebe zu Damon
krank geworden.
Und seit dieser Zeit musste
sie in einem abgedunkelten Zimmer das Dasein einer für die Gesellschaft nicht
mehr existenten Person fristen. Valerie ahnte nicht einmal im Ansatz
die grausame Wahrheit, die wirklich dahinter steckte. Die Isle of Wight wurde immer wieder von Scharen von
Aryanern und Ghouls heimgesucht, die auf einen Krieg mit der europäischen
Warrior-Gilde der Immaculates aus waren, die ihren Hauptsitz in England hatten.
Je mehr Unschuldige dabei ums Leben kamen desto besser. Die Krieger brauchten
Nahrung. Auf der einen Seite mehr, auf der anderen, die sich gesitteter zu
helfen wusste, weniger.
Mindy Rowbottom war zur
falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Aubrey hatte ihr lediglich geholfen zu
überleben, was mit dem Preis eines Lebens in völliger Dunkelheit bezahlt werden
musste. Mindy hatte schon dreimal versucht, sich das Leben zu nehmen und einmal
war sie durch die Hintertür nach draußen entkommen. Am helllichten Tag. Die
schweren Verbrennungen durch die Sonne waren bis heute nicht verheilt. Mindy
lebte am Rande des Wahnsinns. Aubreys und Imogens Fürsorge half leidlich. Ihr
Vater kam nicht mehr zu Besuch. Den Rest besorgten die umliegenden Anwohner und
die in Damons Ruf nicht vorhandene Bescheidenheit.
„Na, lauf schon vor,
Valerie!“ Damon gab ihr einen kleinen Schubs, damit sie ihn nicht weiterhin
anstarrte wie ein Kalb den Mond.
„Du weißt doch, wenn man uns
zusammen sieht, gibt das nur wieder bösen Klatsch. Noch hast du einen
Ruf zu verlieren, meine Süße. Das wollen wir doch nicht, oder?“ Oh, ein verschmähter Liebhaber konnte so grausam
sein. Damon ganz besonders. Bei ihm überwog die eigene Arroganz und die konnte
es nun mal nicht verkraften, zweimal um etwas bitten zu müssen.
„Aber Damon, ich...“ Valerie wollte tatsächlich Anstalten
machen, ihn aus eigenem Willen heraus zu küssen, doch Damon hielt sie auf
Abstand. Für heute war ihm die Lust auf Admiralstöchter vergangen.
„Nein, lauf ins Haus.
Vielleicht erlaubt dir deine Mutter noch einen langsamen Walzer mit einem der
anwesenden Lords.“
In Valeries Augen traten
Tränen. Nicht einmal diese konnten sie entstellen. Sie glänzten im Mondlicht
mit ihren wunderschönen Augen, in die sich Damon tatsächlich hätte verlieben
können, wenn es ihm wichtig gewesen wäre, um die Wette.
"Warum bist du
plötzlich so gemein?“
„Gemein?“
Damon lachte spöttisch und
reichte ihr ein sauberes Taschentuch, mit dem sie sich schnäuzen und ihre
Tränen forttupfen konnte, bevor die Spur des Kohlestifts unter ihren Augen
ruiniert aussah.
„Glaub mir, wäre ich so
gemein, wie du sagst, dann lägest du jetzt mit hochgeschobenen Röcken unter
diesem Baum da und würdest keuchen wie ein Schwein, nachdem man es über die Wiese gejagt
hat.“
Valeries Augen weiteten sich
schockiert und diesmal traf ihn der Schlag ihres Fächers donnernd im Gesicht.
Die Haut platzte und Damon griff sich im Reflex an die Wange.
„Ich hasse dich!“, schrie
sie ihn an und stürmte nun allerdings tatsächlich
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