Die Qualen der Sophora
mehr als zwei an die Wand
geschlagene Bretter aus, auf denen die angeketteten Gefangenen sitzen konnten.
Damon war der Einzige, der heute darin transportiert wurde. Nur Aubrey leistete
ihm während der Überführung Gesellschaft.
Schweigend.
Im Gefängnis erwartete man
sie bereits. Damon wurde von den diensthabenden Soldaten in Empfang genommen
und in seine Zelle überführt. Sein Vater blieb zurück. Diesen Gang musste er
allein gehen. Zu oft hatte man ihm unter die Arme gegriffen und so oft hatte er
seine Familie enttäuscht. Als Damon einen Blick zurück über die Schulter warf
sah er, dass Aubrey nicht mehr allein war. Eine Frau, die sich mit einem
rostroten Kapuzencape vor der frischen Brise schützte, die vom Meer herüber
wehte, hatte sich zu ihm gesellt und sah Damon gemeinsam mit dem Lord
hinterher, der seinem Sohn ein letztes Mal zunickte, bevor sich die Tore hinter
ihm schlossen.
Nur einen winzigen
Augenblick sah Damon ihr Gesicht. Es war nicht seine Mutter, die doch noch
gekommen war, um ihn zu sehen. Nein, es war Villeforts Tochter. Valerie.
° ° °
Damon hatte die Vorhänge in Nicos Zimmer ein Stück
weit offen stehen lassen. Die ganze Zeit über, die er auf dem Stuhl neben ihrem
Bett verbrachte und ihr beim Schlafen zusah, strahlte die Sonne auf sein
ungeschütztes Haupt. Seine Augen brannten vor Schmerzen, doch er tat nichts, um
sie zu lindern. Es war nichts im Vergleich zu dem, was Nico hinter sich
gebracht hatte. Wenigstens schlief sie ruhig. So unschuldig. Beinahe wie ein
Kind. Damon fürchtete sich vor dem Moment, in dem sie aufwachen und sich an
alles erinnern würde. Er selbst schlief nicht eine Sekunde. Obwohl er ruhig da
saß, sich kaum bewegte oder seine Haltung zu seiner Bequemlichkeit wechselte,
sah es in seinem Inneren ganz anders aus. Die Erinnerungen an die
Vergangenheit, die ihn in der letzten Nacht kaum zur Ruhe hatten kommen lassen,
verfolgten ihn weiter.
In genau dieser Position hatte er sich schon einmal befunden. Am Bett einer
Frau, die er liebte und für die er alles getan hätte, um ihre Qualen nichtig zu
machen.
Melton Hall, 1803
„Damon?“
Endlich schlug Valerie die Augen auf. Sie konnte
kaum sprechen. Ihr Hals war geschwollen, der Rachen wund. Ihre blassen
trockenen Lippen klebten wie papierne Blätter aufeinander und waren so rissig
und spröde, als hätte er sie nicht eben mit einem feuchten Lappen erfrischt,
den er nun zum wiederholten Mal in die Schüssel mit kaltem Wasser tauchte, die
auf dem Nachtschrank neben ihrem Krankenbett stand.
„Ja, ich bin hier.“ Damon
beugte sich mit sorgenumwölkter Miene über sie und strich ihr eine schweißnasse
Strähne ihres hellblonden Haares aus dem Gesicht, um danach mit dem kühlenden
Tuch den Schweiß von ihrer Stirn zu wischen. Sie war immer noch schön. Trotz
der Ringe unter ihren Augen, dem eingefallenen Puppengesicht und dem hohen
Fieber, das sie marterte bis sie vor Schmerzen in den Gliedern schrie und vor
Husten kaum noch zu Atem kam.
Der Arzt konnte nichts mehr
für sie tun. Es würde nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sie von ihm ging.
Damon ließ den Kopf hängen und schickte zum wiederholten Mal ein Stoßgebet gen
Himmel. Valerie durfte ihn nicht verlassen.
Sie durfte es einfach nicht. Sie hatte aus ihm einen besseren Menschen gemacht.
Sie hatte ihm während seiner Gefangenschaft in Portsmouth regelmäßig Besuche
abgestattet und so hatte er herausbekommen, wer für seine Übersiedelung von
Gibraltar zurück nach England wirklich verantwortlich gewesen war. Während
einer ihrer vielen Streitereien hatte sie es ihm gestanden. Sie hatte ihren
Vater dazu überredet, ja förmlich angebettelt, die Papiere zu unterschreiben.
Villefort hatte es ihr zuliebe getan. Damon war so vermessen gewesen zu
glauben, es handle sich um einen alten Freundschaftsdienst. Valerie hatte ihn auf den Boden der
Tatsachen zurückgeholt. Niemand wollte mit dem selbstverliebten Damon Archer
befreundet sein, warf sie ihm an den Kopf und danach hatten sie sich das erste
Mal seit seinem schändlichen Versuch im Garten des elterlichen Anwesens
geküsst. Diesmal hatte sie ihn nicht von sich gestoßen und Damon hatte
aufrichtige Absichten ihr gegenüber verspürt.
Das war drei Jahre her.
Beinahe vier. Ein Jahr lang hatte er in Portsmouth eingesessen, bevor Aubrey es
geschafft hatte, ihn nach Melton Hall zurückzuholen. Valerie kam ihn oft in Begleitung
eines Mädchens besuchen. Solange bis ihre Affäre für
jedermann offensichtlich
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