Die Qualen der Sophora
hatte er sich wieder vom Boden erhoben und
seine Mutter grob an den Schultern gepackt und schüttelte sie, heftigst
schluchzend und nicht willens zu glauben, dass es keine einzige Hoffnung mehr
gab.
„HILF IHR, MUTTER! HILF
IHR!“ Imogen tat nichts weiter und ließ sich schütteln. Die
Zeit würde ihm über jeden Verlust hinweghelfen. Bis er diejenige fand, die
wirklich für ihn bestimmt war.
° ° °
Nico rührte sich die nächsten Stunden nicht und
erwachte erst, nachdem die Sonne hoch am Himmel stand. Sie atmete seufzend aus
und regte sich unter der Decke, obwohl ihre Glieder ihr nicht richtig gehorchen
wollten. Irgendwie tat alles weh, als hätte sie zu viel Sport gemacht. Wie nach
einem sehr harten Training… Nico seufzte erneut und schmiegte das Gesicht enger
in das duftende Kissen. Sie war immer noch müde, aber ein komisches Gefühl
wollte sie nicht mehr zur Ruhe kommen lassen, so dass sie die Augen blinzelnd
aufschlug, wobei sie sich langsam auf die Seite drehte.
Ich bin nicht zuhause… Ihr noch verschwommener Blick wurde scharf und dann erkannte sie, dass jemand
neben ihrem Bett saß und wohl über ihren Schlaf gewacht haben musste. Lord
Aubrey...?
„Damon?!“, wisperte sie ungläubig und riss die Augen
weit auf.
Sie wollte sich in die Höhe stemmen, hob die rechte
Hand, um sie neben das Kissen abzulegen, wo ihr der Verband ins Auge fiel.
Zeitgleich spürte sie den ziehenden Schmerz in ihrem Gelenk. Nico fuhr sich
verschlafen über die Augen und drehte sich wieder auf den Rücken, während ihre
wieder alles einfiel. Ihre Augen brannten, doch sie blinzelte heftig, um die
Tränen aufzuhalten.
„Haben sie Babu… Ist mein Vater schon hier?“, fragte
sie mit ängstlicher Stimme und legte ihre linke Hand unter der Decke auf ihre
Brust, wo ihr Herz mehr als heftig gegen ihre Rippen schlug.
Warum saß er hier in ihrem Zimmer? Sobald er ihre
Frage beantwortet hatte, würde sie ihn wegschicken, damit er nicht länger an
ihre Seite gefesselt war, was ihm bestimmt mehr als zuwider war. Sie würde
nicht mehr zulassen, dass man ihn zwang, Dinge zu tun, die ihn nur noch mehr
gegen sie aufbrachten. Sie brauchte niemanden. Es ging ihr gut. Sie hatte nur
nicht genug geschlafen, das war alles, was ihr gefehlt hatte.
Nicos Vater war schon vor
Stunden im Castle angekommen. In den sicheren Kellergewölben des Schlosses
erfuhr er gerade den Tod und die Wiedergeburt, nachdem Salama ihm die Wahl
gelassen hatte, ob er eine Lost Soul werden wollte. Trotz des vollen Mondes
hatte Catalina darauf bestanden, die Umwandlung zu übernehmen, damit Nicos
Vater demselben Haus angehören konnte wie seine Tochter. Das war das Mindeste,
was sie für ihre Sophora tun konnte, deren Leiden dem eigenen nun in nichts
mehr nachstand. Flavia und Salama unterstützten sie dabei, weil sie als Neuling
nicht ihr Leben dabei riskieren sollte. Es galt schließlich auch ihren Soulmate
zu beruhigen, der nicht unbedingt mit Catalinas Eingreifen einverstanden war.
Aber in diesem Punkt wollte die Löwin partout nicht nachgeben.
Nico war aufgewacht. Damon brauchte einige Sekunden,
um aus den Erinnerungen an die Vergangenheit aufzutauchen und sie bewusst
anzusehen.
„Ja, ich bin hier!“, wiederholte er die Worte, welche
er vor langer Zeit auch zu Valerie gesprochen hatte, die schließlich durch
Aubreys Zutun doch noch ins Leben zurückgeholt werden konnte.
Ihr Bund hatte nicht gehalten und war auch nicht unter
den Bedingungen der Immaculates erneuert worden. Heute war ihm klar, dass er
sie einen hohen Preis hatte bezahlen lassen. Er hätte ihr Ende akzeptieren und
auf seine Mutter hören müssen. Den Fehler, den er Valerie gegenüber begangen
hatte, war nie wieder gutzumachen gewesen und jeder Versuch, sich ihr erneut
anzunähern, war gescheitert. Ihre Zurückweisung hatte ihn abgestumpft. Es war
ihm egal gewesen, mit wem er nach ihr zusammen kam. Liebe war für ihn nicht
mehr existent. Wahre Liebe zumindest. Aber er hatte der Lost Soul nicht die
Schuld dafür gegeben. Nur sich selbst und seinem eigenen Versagen. Irgendwann
hatte auch das nachgelassen und sein schlechtes Gewissen hielt sich bis zu
diesem heutigen Augenblick in überschaubaren Grenzen.
„Deinem Vater geht es gut. Er ist hier. Du kannst ihn
sehen, sobald die Sonne untergegangen ist. Catalina hat ihm geholfen. Du musst
dir um ihn keine Sorgen machen.“ Damon beugte sich leicht vor, was seine vom
langen Sitzen steif gewordenen Glieder schmerzhaft quittierten. Es tat so
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